Jenin/Jerusalem - In der umfangreichsten
Militäraktion im Westjordanland seit Juni haben sich starke Einheiten
der israelischen Armee am Freitag in der wiederbesetzten
palästinensischen Stadt Jenin Gefechte mit militanten Palästinensern
geliefert. Über die ganze Stadt wurde eine Ausgangssperre verhängt.
Aus israelischen Armeekreisen verlautete, dass die Operation "mehrere
Tage" dauern werde. Soldaten besetzten Gebäude und nahmen
Verhaftungen vor. Der US-Nahost-Sondergesandte William Burns hatte am
Donnerstag eine erste Runde von Gesprächen mit Israelis und
Palästinensern abgeschlossen.
Nach dem jüngsten Selbstmordanschlag palästinensischer Extremisten
vor vier Tagen hatte Israel zunächst auf eine militärische
Vergeltungsaktion verzichtet - mit Rücksicht auf die Nahost-Mission
von Burns. Bei dem Selbstmordanschlag der Organisation "Islamischer
Heiliger Krieg" waren am Montag 14 Israelis und die beiden aus Jenin
stammenden Attentäter ums Leben gekommen.
Truppen in Flüchtlingslagern
Die Armee stieß am frühen Morgen mit Panzern in die Stadt im
Norden des Westjordanlandes vor. Truppen drangen auch in die
Flüchtlingslager und mehrere Dörfer am Rande der Stadt ein.
"Angesichts der jüngsten Entwicklung müssen wir hier massiv
reingehen, auch wenn das Probleme für die Bevölkerung mit sich
bringt", erklärte ein hoher Offizier vor ausländischen Journalisten.
Im Mittelpunkt der Unterredungen von Burns steht ein neuer
Nahost-Plan der USA, der zu einem palästinensischen Staat und einem
Friedensvertrag bis 2005 führen soll. Das sechsseitige Papier, das
als Grundlage für ein gemeinsames Dokument des Nahost-"Quartetts"
(USA, UNO, EU, Russland) gedacht ist, fordert als Voraussetzung für
die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates ein Ende
palästinensischer Terroranschläge, die Reform der Autonomiebehörde,
einen israelischen Siedlungsstopp in den besetzten Territorien, den
Abzug Israels aus den wiederbesetzten Autonomiegebieten sowie eine
Verbesserung der humanitären Lage der Palästinenser.
Für die israelische Führung komme ein militärischer Rückzug aus
wiederbesetzten Autonomiegebieten gegenwärtig nicht in Frage,
erklärte ein Mitarbeiter von Ministerpräsident Ariel Sharon, der
anonym bleiben wollte. Den von den USA vorgeschlagenen Zeitplan
nannte er "nicht realistisch". Burns hat unterdessen die
palästinensische Führung zu Reformen und zum konsequenten Vorgehen
gegen Extremistengruppen aufgefordert. Er sprach am Donnerstag in
Jericho mit dem palästinensischen Parlamentspräsidenten Ahmed Korei
(Abu Ala), Kommunalminister Saeb Erekat, Planungsminister Nabil
Shaath, Finanzminister Salam Fayed und Informationsminister Yasser
Abed Rabbo. Ein persönliches Treffen mit Präsident Yasser Arafat
hatte der US-Gesandte abgelehnt.
Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Dahaf" sprachen
sich 60 Prozent der befragten Israelis für die sofortige Aufnahme von
Friedensgesprächen mit den Palästinensern aus. 78 Prozent würden
dafür auch den Verzicht auf jüdische Siedlungen in den besetzten
Gebieten in Kauf nehmen, wie die Zeitung "Yediot Aharonot" am Freitag
berichtete. (APA/AP/dpa/Reuters)
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