Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Staatssekretär Finz verkündeten auf einer Pressekonferenz die Triumphe der "neuen Finanzpolitik", was wohl heißen soll, dass unter Schwarz-Blau die große Sanierung der alten Schuldenwirtschaft gelungen sei.

Dies entspricht dem bekannten Selbstmarketing-Genie von Grasser, aber nicht der Realität. Die spiegelt sich in Aufmacher und Leitartikel der Salzburger Nachrichten ("Budgetdefizit wie in rot-schwarzer Zeit" ) wider. Der Fall Karl-Heinz Grasser ist eine eigene Studie wert - wie der "am wenigsten erfolgreichste Politiker dieses Landes zugleich der Beliebteste war" (Christian Rainer im trend). Aber das ist eine eigene Geschichte (in der das Urteilsvermögen unserer Landsleute nicht gut wegkommt).

Grasser verkörpert jedoch ein grundlegendes Merkmal dieser schwarz-blauen Regierung. Sie ist angetreten, um Erstarrungen zu lösen, einen frischen Wind hineinzubringen und vor allem Österreichs Wirtschaftsstruktur zu modernisieren. Das war ein Versprechen, das man unterstützen konnte, auch wenn man bezüglich der Verfassung der FPÖ, die in Knittelfeld zu ihrem wahren Ich gefunden hat, skeptisch sein konnte, ja musste. Aber Wolfgang Schüssel und Leute wie Grasser haben zumindest anfangs die richtigen programmatischen Äußerungen von sich gegeben.

Aber, und das sagt jemand wie der dynamische junge Wirtschaftslandesrat der Steiermark, Herbert Paierl, es "sind hauptsächlich Überschriften geblieben". Paierl ist wirtschaftspolitisch ein Neoliberaler, fast mehr, als es in Österreich politisch möglich ist. Aber er ist erfolgreich, und sein Wort hat daher ein gewisses Gewicht.

Tatsächlich hat die Regierung Schüssel Überschriften geliefert: Budgetsanierung, Standortsicherung, weitere Privatisierung, Pensionsreform, Gesundheitsreform, Abbau der Kosten des öffentlichen Dienstes.

Nun sind zweieinhalb Jahre für so etwas zu wenig; aber in den Schlüsselbereichen, wo es darum geht, Österreichs Wohlstand durch erhöhte Produktivität gegen eine drohende Langzeitflaute abzusichern, ist viel zu wenig geschehen. Um es klar zu sagen: Der Standort Österreich wurde in den schwarz-blauen Jahren nicht verbessert. Die Budgetsanierung ist ein Witz, das Nulldefizit trägt den "Fluch eines großartigen Werbegags" (SN-Chefredakteur Ronald Barazon) in sich: Es hat den Konsum abgewürgt. Scharfe Steuererhöhungen in Zeiten wie diesen sind wirtschaftspolitischer Wahnsinn. Bei der Pensionsreform ist ein bisschen was passiert, viel zu wenig, wenn es nach namhaften Experten wie Bernd Marin geht. Die Verwaltungsreform und der so genannte Stellenabbau (Zuständigkeit: Susanne Riess-Passer) sind ebenfalls kostenmäßig nicht feststellbar. Die Forschungsförderung ist nach wie vor von Machtkämpfen gekennzeichnet und hat sich um kein Promillepunkterl erhöht. Um zu charakterisieren, was bei der Reform der Sozialpolitik und der Verkehrspolitik vorangegangen ist, muss man nur die Namen Sickl, Haupt, Schmid, Forstinger und Reichhold herunterbeten.

Überschriften. Namen, die der Wind verweht. Bewegt hat sich nichts. Woran liegt's? Zu einem großen Teil an der strukturell regierungsunfähigen FPÖ. Wer hat sagt, mit der FPÖ werde es schon wunderbar gehen? Wolfgang Schüssel? Jener Schüssel übrigens, der als relativer Jungpolitiker die Überschrift "Weniger Staat, mehr privat" erfand, dann aber als Wirtschaftsminister sehr wenig davon umsetzte.

Gewiss, er hatte die FPÖ am Hals und, mindestens so problematisch, sein eigenes Bauern/Gewerbe/Beamten-Verhinderungskartell. Aber mehr hätte schon herausschauen müssen. (DER STANDARD, Printausgabe, 25./26./27.10.2002)