Wien
- Erst im Jahre 2004
stünden jene hundert Millionen Euro zur Verfügung, um
die jetzt zwischen Finanz- und
Infrastrukturministerium gestritten wird. 2003 sei lediglich eine Disposition darüber
möglich. Die Beruhigung
durch die Vergabe dieser Mittel sei daher höchstens eine
"Scheinberuhigung", konstatiert Werner Welzig, der Präsident der Akademie der Wissenschaften.
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Standard
: Wie steht es um Ihre
eigene Institution?
Welzig:
Finanziell gesehen ist
die Akademie auf dem Budgetstand 2000, ich wiederhole:
2000. Das heißt, wenn man die
Inflationsraten abzieht, ist das
eine gewaltige Minderung im
Lauf dieser Jahre. Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass durch die Sondermittel des Rates für Forschung
und Technologieentwicklung eine Reihe von Möglichkeiten
eröffnet wurden, aber die Regierung übt uns ein im System
Sisyphus. Wir kriegen Stimulierungsgelder, mit denen wir
ein paar Schritte aufwärts gehen können, und dann rollt
das Ganze wieder zurück. Es fehlt eine mittelfristige Planungssicherheit. Eine neue
Regierung hätte zunächst eine
Strategie zu entwickeln, die
vor allem darauf Rücksicht
nimmt, wie Österreich in Europa wahrnehmbar sein soll.
Standard
: Welchen Ländern
geht es mit der Forschung
schlechter, und welchen Ländern geht es besser?
Welzig:
Ich möchte die Frage
anders beantworten. Es gibt
das sechste EU-Rahmenprogramm, das wesentliche Neuorientierungen in einer europäischen Forschungspolitik
bringt. Wenn ich mir hier die
Prioritäten ansehe, so wird Österreich bestenfalls in ein,
zwei Bereichen die Möglichkeit haben zu partizipieren.
Eine Strategie der Bundes_regierung habe ich in dieser
Frage in den letzten Jahren
nicht gesehen.
Standard
: Wir haben verschiedenste Regierungen gehabt - Rot-Blau, dann wieder
Rot-Schwarz, und jetzt haben
wir Schwarz-Blau. Allen Regierungen gemeinsam war, dass
in Ankündigungen und nach
Regierungsklausuren immer
wieder gesagt wurde, dass es
auch um die Kräftigung der
Forschung ginge. Allein, es ist
nie dazu wirklich nachhaltig
gekommen.
Welzig:
Zunächst einmal muss
ich leider die Diagnose von
Ihnen noch etwas verschärfen. In den vergangenen Jahrzehnten hat Forschung in der
Wahlkampfrhetorik eine gewisse Rolle gespielt. Sie spielt
heute nicht einmal mehr dort
eine. Das ist eine Veränderung, die ich mit großem Ernst
und großer Sorge wahrnehme.
Wie ich mir das erkläre? Das
wird wahrscheinlich nur mit
dem Gesamtklima erklärbar
sein. Forschung ist teuer, Forschung ist langweilig, und die
Akteure der Forschung sind
im politischen Alltag für die
Parteien keine brauchbaren
Partner.
(DER STANDARD, Printausgabe, 25.10.2002)