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José-María Vicente Sanchéz empfängt nicht jeden. Touristenbussen bleibt die Einfahrt zum liebevoll restaurierten Landhaus Castillo verwehrt. Doch für Weininteressierte nimmt sich der junge Winzer Zeit. Als erstes lädt er die Besucher in sein altes Auto und macht eine Rundfahrt durch seine 405 Hektar Weinland. Damit die Gäste auch verstehen, wovon er spricht. Alles Nordlage, ein Vorteil in dieser Gegend, wo im Sommer 40 Grad Celsius keine Seltenheit sind. Das kleine Weingut liegt ein paar Kilometer außerhalb von Jumilla, einer 20.000-Einwohner-Provinzstadt im südspanischen Land Murcia. Diese Region gilt, dank der Mauren, die hier vor Hunderten von Jahren kunstvolle Bewässerungssysteme angelegt haben, als der Gemüsegarten Spaniens. Im direkten Umland von Jumilla ist davon allerdings wenig zu bemerken. Auf dem trockenen Boden gedeihen nur Oliven- und Mandelbäume und ganze Hecken von Rosmarin. Aber auch Weinstöcke. Kilometerweit bilden die Bäume und Reben ein riesiges geometrisches Muster auf ockerfarbenem Untergrund. Der etwa 35-jährige Vicente ist kein typischer Weinbauer dieser Region. Er ist einer von den paar Jungen, die glauben, dass sich aus dem trockenen Boden samt der hier typischen Traube Monastrell mehr machen lässt als nur billiger Massenwein. Viele Jahrzehnte haben fast ausschließlich große Kooperativen das Weingeschäft beherrscht. Das Ergebnis: billige, uninteressante Massenweine mit hohem Alkoholgehalt. Das meiste davon geht in weniger sonnige Regionen Spaniens aber auch ins nördliche Ausland, etwa nach Österreich. Dort wird der Wein aus Jumilla gerne genommen, um den Alkoholgrad eigener Tafelweine zu steigern. Für solche Geschäfte würde sich Jungwinzer Vicente nicht hergeben. Auf einem Hügel stehend deutet er auf seine sich darunter ausbreitenden Weinstöcke, Oliven- und Mandelbäume und spricht von alten Werten und Traditionen. Von allzu viel technischer Infrastruktur hält er wenig. Wer den Boden richtig bewirtschafte, brauche keine. Ganze 280 Liter pro Quadratmeter regnet es pro Jahr auf Vicentes Weinstöcke. "Aber zusätzliche Bewässerung habe ich nicht und brauche sie auch nicht", sagt er stolz. Da ist er wohl der Einzige in der ganzen Region. Wenn die Produktion entsprechend niedrig gehalten werde, sei selbst hier ohne Bewässerung sehr gute Qualität möglich, betont Vicente. Auf zwei seiner Weine ist er besonders stolz - auf den "Las Gravas", der von den Reben in einem Steingarten kommt. Und den "Pie Franco" natürlich. Der Wein, zu 100 Prozent aus Monastrell-Trauben, wird mit den Füßen gepresst, fünf bis sechs Stunden pro Tag und drei bis fünf Tage lang. "Die anderen hielten mich und meinen Vater für verrückt, als wir 1991 beschlossen, nicht länger die Trauben an andere Bodegas zu verkaufen, sondern selbst Wein zu machen", erzählt José-María. Vicente blieb nicht lange allein. Die Generation der Erben von anderen Bodegas wie der Casa de la Ermita, von Agapito Rico, der Finca Luzón oder eben Casa Castillo kam auf dieselbe Idee. Noch ist es den Neuen nicht ganz gelungen, Jumilla in eine Reihe mit den anderen, in den vergangenen Jahren so erfolgreichen spanischen Regionen - wie etwa Ribera del Duero und Priorato - zu bringen. Aber sie können bereits beachtliche Erfolge verbuchen: Ihre Weine, die nicht sehr subtil, dafür aber besonders voll und kräftig sind, haben eine stetig wachsende Fangemeinde. Selbstverständlich war Vicente, gleich nachdem er sich für den Weinbau entschlossen hatte, zu Studienzwecken in Frankreich und Portugal. Dort habe er sich das Basiswissen erworben, wie man überhaupt Wein macht. "Aber wie ich in Jumilla guten Wein machen kann, das kann ich nur hier lernen", sagt er. "Ich bin die Alte Welt, dort drüben liegt die Neue Welt, mit der Technik von Kalifornien oder Australien." Dort drüben liegen die Weingärten der Finca Luzón. In der Bodega des Zwei-Familien-Betriebs erzählt der technische Direktor Loren Gil Tomás stolz, dass in den vergangenen Jahren die gesamte Bodega modernisiert wurde, mit Tempranillo-Reben und natürlich Syrah, Merlot und Cabernet Sauvignon. Und mit einem Önologen, den die Finca de Luzón für ihren Spitzenwein engagierte, der Jahre in Kalifornien gearbeitet hatte, bevor er in verschiedenen Regionen Spaniens erfolgreich war. Er ist Chilene. (DerStandard/Rondo/Renee Lugschitz/25/10/02)