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Schloss Halbturn

APA-Photo: PR
Die Ausgangssituation war eine, wie man sie in der österreichischen Weinszene nicht gerade häufig vorfindet: 3000 Hektar Land, zig Hektar Weingärten, darunter den mit 40 Hektar Gesamtfläche größten Weingarten des Landes und dazu ein barockes Prunkschloss, von Lukas von Hildebrandt erbaut, inklusive Restaurant und ein paar Festsälen, in die bis zu 600 Leute passen. "Was kleines wirst du hier nicht finden, Platz ist das, was wir hier am meisten haben", meint Karl-Heinz Wolf.

Was das Schloss Halbturn bei Mönchhof im Burgenland freilich während der letzten Jahrzehnte weniger hatte, war Glück mit dem Wein. Die Produktion großer Mengen einfacher Konsumweine lief immer so dahin, die Kellerei war gnadenlos veraltet, Motivation fehlte ebenso wie die Perspektive. Bis vor einigen Jahren - bis Willi Bründlmayer und Michael Moosbrugger Schloss Gobelsburg an die Spitze hievten und das Weingut Graf Hardegg mit hervorragenden Qualitäten für Aufsehen sorgte - ja ein obligates Schicksal in großen Schloss-Weingütern. "So, wie das bisher gelaufen ist, hat mir das einfach nicht mehr gefallen", erläutert Schlossherr Markus Graf Königsegg, "und außerdem sind rundherum alle benachbarten Winzer immer besser geworden. Da musste endlich was geschehen".

Und es geschah was, etwas zugegebenermaßen recht Ungewöhnliches. Man fragte nämlich beim als Qualitäts-Maniac berüchtigten Karl Heinz Wolf an, ob er nicht ein paar Ideen für das Schloss Halbthurn hätte, wo doch sein Tanglberg-Projekt (Erzeugung absolut erstklassiger Feinkost auf einer Art Gourmet-Bauernhof, das im Verbund befindliche Restaurant Tanglberg in Vorchdorf startete bei Gault Millau von null auf drei Hauben) so toll gelaufen sei, und wo er doch nach dessen abrupter Beendigung wieder ein bisschen mehr Zeit hatte. Wolf, der unter anderem als Weinhändler und vor allem als Extrem-Genussmensch in diversen Chateaux in Bodeaux sowie in den besten burgundischen Kellern ein und ausgeht, schrieb also auf, was er toll fände und wie er glaube, dass man im Schloss Halbturn einen Wein von absolut internationalem Format erzeugen könnte, nämlich ohne Kosten oder Mühen zu scheuen. Und war dann doch ein wenig überrascht, als die Grafen bedingungslos akzeptierten.

Was bedeutete: Dass er mittels Investition von drei bis vier Millionen Euro aus den ehemaligen Stallungen des Barockschlosses den schönsten und modernsten Keller des Landes machte, dass er mittelmäßige Weingärten rigoros entfernte, in einem Jahr 17 Hektar neu pflanzte, die brach liegenden Gründe am Jungenberg in Jois - einer der wahrscheinlich besten Rotweinlagen in Österreich - mit 7500 Stöcken pro Hektar versah (das ist sehr, sehr viel) und drei junge Önologen engagierte: eine von Méo-Camuzet aus dem Burgund, einen von Chateau Hermitage aus St-Emilion und einen aus Niederösterreich. Ein Top-Weingut von internationalem Format, innerhalb eines Jahres aus dem Boden gestampft, "eigentlich hab ich mir so etwas immer schon gewünscht", meint Markus Graf Königsegg und wirkt ein wenig fassungslos, "ich hab' mir allerdings nicht gedacht, dass es so schnell geht". Und was er sich anfangs vielleicht auch nicht gedacht hat: "Es ist ein Fass ohne Boden."

Aber faszinierend. Die Sortieranlage, so verrät Wolf, habe er sich von den besten Weingütern der Welt abgeguckt, "aber so, wie sie hier läuft, läuft sie sonst nirgendwo!" Die Trauben werden nämlich nicht nur schon im Weingarten rigoros sortiert und in kleinen Kisten gelesen, auf zwei Fließbändern werden sie von bis zu 16 Leuten dann noch Beere für Beere sortiert, jedes Kugerl, das nicht ganz super ist, fliegt raus. Zwei Vibrationsanlagen sorgen für einen ersten Saftabzug und eine weitere Selektion, alles persönlich überwacht von Carlo Wolf am Schiedsrichtersessel: "Am Sortiertisch bin ich ein Fanatiker!" Für den Chardonnay, erzählt er, hätten sechzehn Leute in zwei Stunden an 300 Kilo herumgetüftelt, "aber da ist dann jede Beere perfekt". High Tech auch in weiterer Folge, extra-langsame Vergärung und eine Presse, wie sie sonst nur bei Petrus, Clinet und Opus One verwendet wird - sehr schonend, sehr teuer, Carlo Wolf ist begeistert.

Aber nicht nur er. Marie Laroze, die junge Diplom-Önologin und -Biologin aus Dijon, zeigt sich äußerst hingerissen von Sankt Laurent und vom Potenzial des Halbturner Pinot Noir (Wolf: "Wir arbeiten genauso wie bei Romanee Conti."), Francois Gaboriaud, der junge Mann aus St-Emilion, wurde mittlerweile zum Fan von Blaufränkisch und Zweigelt. Und mit was für Cabernets er es hier zu tun hat, überraschte ihn auch einigermaßen positiv. Manfred Wastl zeigt sich vor allem vom experimentellen Freiraum, der ihm hier geboten wird - er ist im wesentlichen für die Weiß- und Süßweine zuständig sowie für die generellen Abläufe - begeistert.

Das Sortiment, das Wolf mit dem Schloss Halbturn anzubieten gedenkt, ist freilich vorerst nicht ganz leicht zu durchschauen. Denn eigentlich beherbergt das Schloss zwei Weingüter: Zum einen die Schlosskellerei Halbturn, die einerseits die Schiene der preiswerten Handelsweine fährt sowie eine Rotwein- und eine Weißwein-Cuvée der gehobenen Klasse namens "Impérial". Die Idee dieser Cuvées wurde einerseits durch das Vorbild französischer Domaines geprägt, die für ihre kleineren Weine immer auch mit zugekauften Trauben oder Weinen operieren, andererseits durch die Notwendigkeit, aus den bestehenden Weinen des Jahrgangs 2000 das Bestmögliche zu machen: Wolf suchte also die besten Fässer aus, kaufte bei befreundeten Top-Winzern der näheren Umgebung noch das eine oder andere Fässchen zur Auffettung zu und komponierte so zwei schöne, frucht-dominierte Weine "Ich muss hier einen Spagat machen zwischen Kommerz und Ideologie", sagt er, und "es ist ja nicht schlimm, wenn ein Produkt immer besser wird". Was zweifellos passieren wird, denn spätestens mit dem ersten "neu" vinifizierten Jahrgang 2002 wird der "Impérial" wahrscheinlich für ordentlichen Wind sorgen. Das, was da einstweilen schon in den Fässern liegt, lässt nämlich einiges erwarten.

Die zweite Schiene wird "Graf Königsegg" heißen und drei "Guts-Weine" beinhalten, also ausschließlich aus eigenen Trauben bestehend: einen Pinot Noir, einen Sankt Laurent und eine Cuvée aus Cabernet franc, Cabernet Sauvignon und Merlot. Diese Weine, die in etwa zwei Jahren und in eher geringer Menge ("das soll ganz was kleines, feines sein") auf den Markt kommen werden, sollen laut Wolfs Wunsch die Qualitäten burgenländischen Rotweins neu definieren helfen ("wir sind im Burgenland erst ganz am Anfang!"). Und in etwa zwei, drei Jahren, wenn die Joiser Terrassen in Ertrag sind, "dann werden wir überhaupt abheben", jubelt er.

Klar, was die Zukunft bringt, weiß kein Mensch. Aber: Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser unternehmerische und önologische Kraftakt da in Halbturn ganz exzellente Weine zu Tage bringen wird, ist allem Ermessen nach sehr groß. Und ein spannenderes Wein-Projekt gab es in Österreich mit Sicherheit noch nie.(Der Standard/rondo/25/10/2002)