Erhöhtes Umweltbewusstsein ortet der Europarechtler Walter Obwexer beim EuGH. Und damit Chancen für Österreich im Transitstreit. Gestern aber wurde eine Klage Österreichs abgewiesen.

Innsbruck - Ob der jüngste Entscheid eine neue Wende bedeutet, bleibt abzuwarten. Am Mittwoch hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Klage Österreichs auf einstweilige Verfügung abgewiesen. Die Ökopunkte-Kontingent für 2002 wird nicht nachträglich gekürzt. Eine Begründung lag noch nicht vor.

Insgesamt sieht der Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer eine Tendenz in eine andere, ökologische, Richtung beim EuGH. Für Österreich böten sich mit Blick auf jüngere Entscheide und mit Inkrafttreten der Alpenkonvention im Dezember gar neue verkehrspolitische Hebel in der Transitfrage, meint der EU-Verkehrsrechtsexperte im STANDARD-Gespräch.

"Ich sehe beim Höchstgericht eine deutliche Tendenz, die dem Umweltschutz mehr Gewicht verleiht". Diese zu nützen, um für die Zeit nach Ende des Transitprotokolls 2003 eine umweltgerechte Lösung zu erreichen, "erfordert aber vollen Einsatz".

Obwexer, Verfasser zahlreicher Gutachten zum Transit, nennt Beispiele der jüngeren EuGH-Judikatur, die "in Summe" auf eine "neue Linie" schließen ließen. Erstens den Beschluss des EuGH-Präsidenten von Februar 2001, mit dem Österreich im Streit um die Ökopunkte-Vergabe Recht bekam. "Präsident Iglesias hat ausdrücklich festgestellt, dass das Ziel des Transitprotokolls im Schutz der Umwelt und Gesundheit der alpinen Bevölkerung besteht." Das Transitprotokoll sei also nicht primär als eine Regelung für den Warenverkehr zu sehen.

Gefordert ist in den Augen Obwexers die EU, nicht Österreich: "Mit dem Transitprotokoll (als EU-Primärrecht, Anm.) sollte der Union die Möglichkeit gegeben werden, bis Ende 2003 mit ihren Verkehrsregelungen nach zu ziehen, um ein Umweltziel zu erreichen". Und zwar "auf dauerhafter und umweltgerechter Grundlage", wie im Protokoll festgehalten. Dieses Ziel, meint Obwexer, bleibe auch nach 2003 aufrecht. Wenn dann die Ökopunkte um die vereinbarten 60 Prozent reduziert sind, nicht aber die reale Umweltbelastung, bräuchte es eben eine andere Regelung.

Beispiel zwei: Der Schlussantrag von EuGH-Generalanwalt Francis Jacobs vom Juli 2002, mit dem dieser die Brennerblockade von 1998 für zulässig erklärt. "Jacobs verweist darin, ohne dass er dies hätte tun müssen, auf die Verpflichtungen der EU durch die Alpenkonvention". (DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2002)