Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen begann gestern in Hamburg der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Hintermann der Anschläge vom 11. September 2001, einen Komplizen der Todespiloten, die in den USA mehr als 3000 Menschenleben auslöschten. Der Marokkaner Mounir El Motassadeq soll die Finanzierung der Hamburger Terrorzelle organisiert und Kontakt zum Al-Qa'ida-Netz gehalten haben. Zwei weitere Männer, der Frankomarokkaner Zacarias Moussaoui und der in Pakistan gefasste Jemenit Ramzi Binalshibh warten in den USA auf ihre Gerichtsverfahren. Doch trotz dieser Erfolge und trotz der Zerstörung der Al-Qa'ida-Lager in Afghanistan wurden in dem von Präsident Bush ausgerufenen "Krieg gegen Terror" kaum echte Fortschritte erzielt.Im Gegenteil: Soeben bezeichnete CIA-Chef George Tenet das Risiko eines Terrorangriffs auf die USA als ähnlich groß wie vor 9/11. Osama Bin Laden bleibt unauffindbar, und auch sein diffuses Terrornetz ist keineswegs zerstört. Für die US-Regierung scheint es einfacher zu sein, gegen die Gefahr eines womöglich mit Massenvernichtungswaffen gerüsteten Irak massiv aufzutreten, als den islamistischen Terror an der Wurzel zu packen. Dessen Propagandisten versuchen inzwischen, in der islamischen Welt den Antiterrorkrieg in eine Konfrontation der USA gegen alle Muslime umzudeuten. Doch mit den jüngsten Attentaten (im Jemen und auf Bali), von denen Spuren zu Al-Qa'ida führen, haben die Täter selbst gezeigt, dass auch Australier, Franzosen und Deutsche - alle, die dem westlichen Lebensstil anhängen - ihr Ziel sind. Dies sollte alle Verbündete im Kampf gegen den Terror daran erinnern, dass er nicht nur eine Angelegenheit der USA und ihrer Militärs ist. Zur Eindämmung von Hassideologien würde auch die wirtschaftliche Förderung armer Länder gehören und dort vor allem der Unterstützer von Gewaltfreiheit und Demokratie. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2002)