Belgrad - Die Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals, Carla del Ponte, hat am Montag in Belgrad ihren neuesten Balkan-Besuch begonnen, im Zuge dessen auch Aufenthalte in Pristina, Sarajewo und Zagreb geplant sind. Hauptthema des Gespräches mit dem jugoslawischen Außenminister Goran Svilanovic, der auch als Vorsitzender des Nationalen Ausschusses für Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal fungiert, ist, wie schon zuvor angekündet, die anhaltende Unzufriedenheit von Del Ponte mit der mangelnden Kooperationsbereitschaft Belgrads. Die jugoslawischen und serbischen Behörden haben nach der Erlassung des Tribunalsgesetzes im April dieses Jahres die Angeklagten aufgefordert, sich selbst dem Tribunal zu stellen. Fünf Angeklagte, darunter der frühere jugoslawische Vizeministerpräsident Nikola Sainovic und Ex-Generalstabschef Dragoljub Ojdanic, hatten sich dem Tribunal gestellt. Bisher sind allerdings keine Festnahmen auf Grund der bestehenden Anklagen vorgenommen worden. Mladic noch in Serbien? Die offiziellen jugoslawischen Stellen behaupten auch, keine Information über den genauen Aufenthaltsort des früheren bosnisch-serbischen Armeechefs Ratko Mladic zu haben. Del Ponte, die sich auch auf westliche Nachrichtendienste beruft, behauptet dagegen, dass er sich weiterhin in Serbien aufhalte und auch eine jugoslawische Militärpension beziehe. Die Festnahme von Mladic, aber auch von zwei Angehörigen der so genannten Vukovar-Troika, den Offizieren Veselin Sljivancanin und Miroslav Radic, dürfte allem Anschein nach das Hauptthema des offiziell nicht bestätigten Gespräches von Del Ponte mit dem jugoslawischen Generalstabchef Branko Krga sein. Die Chefanklägerin ist auch unzufrieden mit der begrenzten Einsicht, die ihre Ermittler in das jugoslawische Staats- und Militärarchiv bekommen haben. 300 Anträge des Tribunals behandelt Der jugoslawische stellvertretende Justizminister Nebojsa Sarkic hat für den Sender "B-92" andererseits am Montag erklärt, dass sein Ministerium bisher rund 300 Anträge des Tribunals im Zusammenhang mit der jugoslawischen offiziellen Dokumentation behandelt habe. Auch seien dem Tribunal auf seinen Antrag Filmunterlagen, aber auch bestimmte Militär- und Staatsdokumente zugestellt worden. Über die Freigabe von Dokumenten entscheidet laut Gesetz der Nationale Ausschuss. Für das Tribunal gesperrt seien laut dem Tribunalsgesetz jene Geheimdokumente, die die Souveränität und die nationale Sicherheit beträfen, präzisierte Sarkic. Sarkic hat aber gleichzeitig auch die Abänderung des jugoslawischen Gesetzes, das die Zusammenarbeit mit dem Tribunal regelt, in Sicht gestellt. Aus dem Gesetz gestrichen soll nämlich jene Bestimmung sein, die die Auslieferung von Angeklagten nur auf die Anklagen beschränkt, die vor der Gesetzeserlassung erhoben worden waren. Zur Gesetzesänderung ist Jugoslawien auch durch den Europarat verpflichtet worden. Die strittige Gesetzesbestimmung war als ein Kompromiss zwischen der Demokratischen Opposition Serbiens (DOS) und ihrem montenegrinischen Bündnispartner, der Sozialistischen Volkspartei (SNP), entstanden. Die SNP als einstiger Bündnispartner des Milosevic-Regimes in Montenegro hatte sich anhaltend jeder Auslieferung von Angeklagten widersetzt. Mit der Umbildung der jugoslawischen Föderation wird auch die Koalition zwischen der DOS und der SNP beendet werden. (APA)