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Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch
Bremen - Die deutschen Grünen haben mit überwältigender Mehrheit den Koalitionsvertrag mit der SPD gebilligt. Beim Parteitag in Bremen am Freitag stimmten die rund 750 Delegierten trotz ihres Ärgers über die Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Obrigheim dem Vertragswerk zu. Letztlich überwog die Einstellung, dass die Chance weiter mitzuregieren schwerer wiegt als der Unmut über die Geheimabsprache zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem AKW-Betreiber EnBW. Die Grünen-Spitze hatte im Verlaufe der Debatte heftige Vorwürfe an Schröder gerichtet, der ihrer Meinung nach den Koalitionspartner in der Frage des Atomausstieges hintergangen hat. Parteichef Fritz Kuhn sagte: "Es liegt mit Obrigheim ein Schatten über dem Koalitionsvertrag, aber er kommt von Bundeskanzler Schröder und nicht von Bündnis 90/Die Grünen". Er wolle den Kompromiss, dem zufolge Obrigheim zwei Jahre länger am Netz bleiben muss, nicht als Erfolg darstellen. Aber man müsse das Ganze des Koalitionsvertrages vor Augen haben, sagte Kuhn und warb für dessen Annahme. Fischer: Emotionen teilen Auch Außenminister Joschka Fischer rief den Delegierten zu: "Ich teile die ganzen Emotionen." Er sei aber entschieden gegen die Alternative gewesen, die Koalition platzen zu lassen. Im Koalitionsvertrag "haben wir vieles durchgesetzt von den grünen Wünschen", gab er zu bedenken. Auch Ko-Chefin Claudia Roth erklärte, der Koalitionsvertrag trage eine klare grüne Handschrift. Sie verwies auch au die erweiterten Zuständigkeiten der grünen Minister in der kommenden deutschen Regierung. In dem Antrag zu Obrigheim, den der Parteitag annahm, wurde Bundeskanzler die "volle und alleinige Verantwortung" für die Laufzeitverlängerung zugewiesen: "Dies ist ein Umgang mit dem Koalitionspartner, den wir nicht akzeptieren können, und der sich nicht wiederholen darf." Die Antragsteller forderten, dass das Atomkraftwerk "innerhalb dieser Legislaturperiode" abgeschaltet werden müsse. Dieses ist laut Kompromiss mit der Energie Baden-Württemberg (EnBW) allerdings bereits sicher gestellt. Obrigheim geht nun statt im März 2003 im Frühjahr 2005 vom Netz. "Böser Schatten über der Bilanz" Auch Umweltminister Jürgen Trittin sagte zum Atomstreit, es liege ein "böser Schatten", "ein roter Schatten" über der Bilanz der Koalitionsverhandlungen. "Dies ist kein guter Kompromiss", kritisierte er. Gleichzeitig betonte er, dass dadurch keine einzige Kilowattstunde Atomstrom zusätzlich produziert werde. Kuhn und Fischer stimmten die Delegierten auf vier harte Jahre ein. Die Koalitionsvereinbarung sei eine solide Arbeitsgrundlage für die kommende Legislaturperiode, sagte Kuhn. Bei den nun notwendigen Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt sowie in den Sozialsystemen stünden "schwierige Zeiten und harte Tage" bevor. "Wir müssen ernst machen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit", mahnte Fischer und forderte seine Partei zu "Realismus" auf. Beide erteilten einer reinen Sparpolitik, die die Konjunkturschwäche nicht berücksichtige, eine Absage. Trennung von Amt und Mandat steht an Der Grünen-Parteitag lehnte mit Mehrheit die Forderung ab, dass der bisherige Fraktionschef Rezzo Schlauch wegen seiner Verwicklung in die Flugmeilen-Affäre kein Amt in der Regierung übernehmen solle. Schlauch hatte dienstlich erworbene Bonus-Meilen privat genutzt, nach Bekanntwerden aber den Betrag dem Bundestag erstattet. Er ist als neuer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft vorgesehen. Die Delegierten wollten am Samstag auch über eine Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat entscheiden. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Nicht ausgeschlossen war, dass sich der parteiinterne Ärger über Obrigheim in dieser Diskussion entladen wird. Die Reform ist Voraussetzung dafür, dass Roth und Kuhn im Dezember wiedergewählt werden können. Beide haben bei der Wahl am 22. September ein Bundestagsmandat errungen und wollen sich im Zweifelsfall für ihr Mandat entscheiden. Die SPD will über den Koalitionsvertrag bei einem Parteitag am Sonntag in Berlin abstimmen. Das Regierungsabkommen für die nächsten vier Jahre war am vergangenen Mittwoch von den Führungen beider Parteien unterschrieben worden. Rot-Grün war bei der Bundestagswahl am 22. September mit knapper Mehrheit bestätigt worden. (APA/dpa/AP/Reuters/AFP)