"Chauvinistischer Triumph" bringe nichts, meinte die Pariser Zeitung Figaro gestern in einem Leitartikel. Trotzdem sei "Frankreich zurück - oder gedenkt es zumindest zu sein", kommentiert das konservative Blatt die Beratungen um eine Irak-Resolution im UN-Sicherheitsrat. Tatsächlich schart die französische Diplomatie immer mehr Länder hinter ihren bereits wochenalten Vorschlag eines zweistufigen Resolutionsmechanismus.Frankreich nimmt mit seiner Haltung erhebliche Spannungen mit den USA in Kauf. Mitte der Woche hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eine Pressekonferenz mit seiner französischen Amtskollegin Michèle Alliot-Marie in Washington kurzfristig abgesagt, während aus dem Umfeld von Außenminister Colin Powell verlautete, die USA seien "mit der Geduld" gegenüber Frankreich "am Ende". Paris lässt sich davon nicht beeindrucken. Staatschef Jacques Chirac erklärte am Donnerstag in Ägypten auf seiner aktuellen Nahosttournee, Frankreich werde als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates "seine Verantwortung wahrnehmen". Die französischen Medien interpretierten das sofort als Drohung mit einem Veto gegen eine Resolution im US-Sinne - es wäre das erste französische UN-Veto seit 1956. Gestern meinte Chirac in Beirut nur noch, jeder "Automatismus" eines Militäreinsatzes gegen Saddam Hussein sei abzulehnen. Die UNO verfüge "einzig" über die moralische und politische Legitimität für ein solches Vorgehen. In der libanesischen Hauptstadt nahm der französische Staatschef gestern an der Eröffnung des neunten Frankophonie-Gipfels teil, bevor er nach Syrien und Jordanien weiterreist. Vor Jahresfrist war die Zusammenkunft von 41 Staats- und Regierungschefs wegen des 11. September kurzfristig abgesagt worden. Jetzt dient die erste frankophone Großtagung im arabischen Raum der französischen Diplomatie dazu, im Nahen und Mittleren Osten neu Präsenz zu markieren. Dieses Motiv leitet auch den französischen Aktivismus auf UNO-Ebene. Paris hat die Lehren aus dem Bosnienkrieg gezogen und will nicht zuschauen, wie die USA nach einem allfälligen Sturz Saddam Husseins den Irak kontrollieren, wo französische Erdölfirmen handfeste Interessen haben. Nur ein zeitlicher Zufall war es, dass der französische Außenminister Dominique de Villepin gestern Libyen einen Besuch abstattete. "Revolutionsführer" Muammar Gaddafi bemühe sich, wie Paris hervorhebt, wieder um internationalen Respekt und anerbiete sich - wie bei der Geiselnahme 2000 auf der philippinischen Insel Jolo - als Vermittler im weltweiten Antiterrorkampf. Vor allem aber ist das Erdölland Libyen derzeit auf der Suche nach westlichen Investoren. (DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.2002)