IT-Business
Neuer Bertelsmann-Chef stutzt Internetsparte zurecht
BOL vor dem Aus - Das weltweite Netzt nur mehr eine "weitere Vertriebsplattform"
Unter dem neuen Bertelsmann
-Chef Gunter
Thielen verliert das Internet für den fünftgrößten Medienkonzern der
Welt an Bedeutung. "Das Internet wird weiter einen wichtigen und
steigenden Anteil für uns haben, aber nicht als eigenes Geschäft,
sondern als weitere Vertriebsplattform", betonte Thielen am
Donnerstagabend im Internationalen Club Frankfurter
Wirtschaftsjournalisten.
Keine Experimente
Aus Internet-Aktivitäten ohne Gewinne werde man sich zurückziehen.
"Die Zeit der ganz großen Visionen ist vorbei." Am
Internetdienstleister Pixelpark will der Medienriese aus Gütersloh
jedoch festhalten. "Aber wir müssen da noch mal zurückschneiden." Der
Internethändler
BOL
steht dagegen vor dem Aus. Das Geschäft in
Deutschland werde geschlossen, deutete Thielen an. Die Aktivitäten in
Schweden und in den Niederlanden werden vermutlich verkauft.
Kritik
Angesichts der Diskussion über einen möglichen Börsengang
kritisierte Thielen typische Gepflogenheiten der internationalen
Finanzmärkte: "Quartalsberichte sind gefährlich, wenn Unternehmen
ihre Strategie daran ausrichten, sie müssen langfristige Strategien
haben." Der einzige, der das erkannt habe, sei der Porsche-Chef
Wendelin Wedeking. Porsche wurde 2001 wegen fehlender
Quartalsberichte von der Deutschen Börse aus dem Aktienindex MDAX
ausgeschlossen.
Analysten
Andere Medienkonzerne wie AOL seien ein Beispiel dafür, was
passiert wenn man sich von Analysten treiben lasse, kritisierte er
den Einfluss der Finanzbeobachter. Der belgische Bertelsmann-Aktionär
GBL, der 25,1 Prozent der Anteile hält, will diese an die Börse
bringen. Die übrigen Anteile befinden sich im Besitz der Familie
Mohn, die eine Veräußerung am Kapitalmarkt kritisch sieht.
Optimismus
Trotz der Krise in der Medienbranche zeigte sich Thielen
optimistisch in Bezug auf das Geschäftsergebnis. "Es wird in diesem
Jahr deutlich besser ausfallen als im Vorjahr, da wir Verlustquellen
beseitigt haben." Im Geschäftsjahr 2000/01 hatte der Gütersloher
Konzern 16,7 Milliarden Euro umgesetzt und einen Vorsteuergewinn von 2,1
Milliarden Euro ausgewiesen. "Wir machen eine Mischung aus Konsolidierung
und Vorwärtsbewegung", beschrieb Thielen seine Strategie. 2002 werde
aber noch ein schwieriges Jahr bleiben.
Fortschritte
Bei den "Sorgenkindern", der Musiksparte (BMG) und den Buch- und
Musikclubs, beobachtet der gebürtige Saarländer Fortschritte: Die
Direct Group, in der die Buch- und Musikclubs zusammengefasst sind,
werde von 2003 an wieder schwarze Zahlen schreiben. In diesem Jahr
werde bereits der Verlust verringert.
Wachstumshoffnungen
In der Musiksparte setzt Bertelsmann auf Wachstum. Mit der
vollständigen Übernahme des Musikunternehmens Zomba werde die
Konzerntochter BMG ihre globale Position verbessern. Der Kauf der
Mehrheitsanteile soll noch vor Weihnachten abgeschlossen sein. Für
Rang drei unter den weltgrößten Musikkonzernen reiche es aber nicht.
Der Erwerb von Zomba würde der Schuldenstand von Bertelsmann auf 3,7
Milliarden Euro ansteigen lassen, höher als es die interne
Verschuldungsgrenze erlaubt. Daher soll der Fachverlag
Bertelsmann-Springer für mindestens 1,0 Mrd. Euro verkauft werden.
Preisdrücker
Presseberichten zufolge versucht Bertelsmann, den ursprünglich
ausgehandelten Preis für den Mehrheitsanteil von Zomba um 600 Millionen
auf 2,4 Milliarden US-Dollar (2,5 Milliarden Euro) zu drücken. "Wir haben (bei
Zomba) eine Due diligence (genaue Prüfung des Unternehmenswerts)
gemacht und es ergaben sich Anmerkungen", sagte Thielen.
(APA)