Microsoft
Linux macht Microsoft mehr zu schaffen als die Konkurrenz
Open-Source-Programm wird ständig weiterentwickelt und darf gratis genutzt werden
Microsoft-Chef Steve Ballmer liebt drastische
Worte. Die Wettbewerber des weltgrößten Softwareproduzenten seien
doch nur NOISE (engl. Lärm), meinte er vor einigen Jahren. Das
Akronym NOISE stand damals für die Firmen Netscape, Oracle, IBM, Sun
Microsystems und alle anderen ("Everbody else"). Vom
NOISE-Führungsquartett ist quasi nur IBM als strategischer
Wettbewerber übrig geblieben - Netscape verschwand unter dem Dach von
AOL, Oracle und Sun sind stark in die Defensive geraten.
Die Bedrohung
Daher hat Ballmer in einer aktuellen Botschaft an die
Microsoft-Beschäftigten einen neuen Haupt-Konkurrenten identifiziert:
Linux und andere freie Open-Source-Programme.
Linux wird weltweit von unzähligen Programmieren weiterentwickelt
und darf kostenlos genutzt werden. Im Gegensatz zu Microsoft wird bei
Linux und anderen Open-Source-Programmen der eigentliche
Programm-Code offen veröffentlicht, während der Softwaregigant aus
dem Nordwesten der USA den Einblick in seine Systeme durch Patente
und Urheberrechtsansprüche streng schützen lässt. Firmen wie IBM,
SuSE oder RedHat bieten auf der Basis von Linux kommerzielle Produkte
und Dienstleistungen an.
Wettstreit
Im Zentrum des neuen Wettbewerbs stehen große Unternehmenskunden,
die bisher vor allem Großrechner mit Unix-Betriebssystemen wie Sun
Solaris oder HP/UX betreiben. Um sich von der Abhängigkeit vom stark
schwankenden Geschäft mit den privaten PC-Anwendern zu befreien und
neue Märkte zu erschließen, drängt Microsoft mit aller Macht in
dieses Segment. Nach Vorstellung von Bill Gates und Steve Ballmer
sollen das Microsoft-Betriebssystem Windows und die neuen Komponenten
der Netzwerk-Infrastruktur ".NET" künftig auch vermehrt auf den
großen Servern und dem "Big Iron" der Rechenzentren laufen.
Servermarkt
Doch gerade in diesem Bereich feiert derzeit die Gemeinschaft der
offenen Programmanbieter ihre größten Erfolge. 2001 liefen nach
einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens IDC nur vier
Prozent aller Server weltweit unter Linux, dem bekanntesten
Open-Source-System. Bis 2006 soll der Anteil auf elf Prozent wachsen.
"Wenn Linux bei den Marktanteilen zulegen kann, dann hat Microsoft
kaum noch Preisspielraum nach oben", sagt Analystin Michelle Connell
von Wells Fargo Private Client Services.
Verloren
In Deutschland hat Microsoft ausgerechnet bei einem
Prestige-Projekt erfahren, wie lästig der Wettbewerb mit Linux
aussehen kann. Bei der Bestückung des Deutschen Bundestages mit neuen
Computern haben sich die Parlamentarier noch vor der Bundestagswahl
zwar für PC mit Microsofts System Windows XP ausgesprochen, die
Infrastruktur im Hintergrund soll aber mit Linux-Servern aufgebaut
werden. Auch ein monatelanger Einsatz der PR-Agentur Hunzinger konnte
dieses Debakel nicht verhindern.
Kampfparolen
Auch die hervorrangenden Ergebnisse, die Microsoft am
Donnerstagabend in den USA vorgelegt hat, signalisieren aus Sicht von
Ballmer keine Entwarnung: "Wir haben unserer Vertriebsmannschaft
gesagt, dass sie verstehen müssen, das dies (der Kampf gegen Linux)
jetzt Job Nummer eins ist. Die Leute sagen immer wieder, dass es
einfacher sei, Unix-Anwendungen auf Linux zu übertragen. Wir sind
jetzt ganz dicht dran, diese Aussage zu widerlegen."
(APA)