Brüssel - Das EU-Amt zur Betrugsbekämpfung (OLAF) hat im Berichtszeitraum vom 1. Juni 2001 bis 30. Juni 2002 552 neue Untersuchungen eingeleitet. Wie die Behörde am Donnerstagabend bei der Vorstellung des Jahresberichts in Brüssel betonte, handelte es sich um eine Zunahme von rund 30 Prozent gegenüber den ersten beiden Jahren der Tätigkeit von OLAF. Die Mehrheit der Fälle, nämlich 174 bzw. 32 Prozent, betraf Direktzahlungen. Dazu wurden 112 Fälle im Bereich Zoll und Handel (20 Prozent), 81 bei den Strukturfonds (15 Prozent), 77 in der Landwirtschaft (14 Prozent), 63 interne Fälle (elf Prozent) und 45 zu Zigaretten und Verbrauchssteuern (acht Prozent) untersucht. Nach Ländern aufgeschlüsselt betrafen die meisten Fälle Deutschland mit 36, Italien mit 15 und Belgien mit elf. In Österreich wurden lediglich fünf Vorgänge von OLAF untersucht. Bei den EU-internen Untersuchungen betrafen 75 Prozent die Kommission. OLAF-Generaldirektor Franz-Hermann Brüner erklärte bei der Vorstellung des Berichts, dass sein Amt zwei Arten von Fällen Priorität einräumen. Erstens verfolge man eine Politik der "zero tolerance" gegen Korruption und Betrug innerhalb der EU-Institutionen; zweitens schenke man Fällen in den Kandidatenländern besondere Aufmerksamkeit. Bei der Feststellung einer Straftat durch OLAF werden die Staaten oder die EU-Institutionen tätig und leiten administrative oder rechtliche Schritte ein. EU-Abkommen gegen Betrug und Bestechung in Kraft Das Abkommen zum "Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften" ist in Kraft getreten. EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer begrüßte diesen Schritt am Freitag in Brüssel als "überfällig", nachdem das Übereinkommen bereits vor sieben Jahren unterzeichnet worden war, aber erst jetzt in Belgien, Irland und Italien ratifizierte wurde. Damit werden Betrug, Bestechung und Bestechlichkeit zum Schaden der EU-Finanzen einheitlich in allen Mitgliedsstaaten als Straftatbestand definiert. Zwischen den EU-Staaten und der Kommission besteht ein Streit um die Zuständigkeit in diesem Bereich. Eine entsprechende Richtlinie der EU-Kommission vom Mai 2001 ist bis heute im Rat blockiert. Schreyer kündigte daher einen neuen Vorstoß der Kommission an. Zugleich forderte sie die Staaten auf, das nun in Kraft getretene Übereinkommen auf nationaler Ebene auch umzusetzen. Die EU-Staaten hatten 1995 das Abkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften unterzeichnet, in dem Betrug zum Nachteil der EU-Finanzen definiert und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, für diese Art von Betrug einen Straftatbestand zu begründen, festgelegt wird. Am 27. September 1996 wurde dazu ein erstes Protokoll unterzeichnet, das Bestechung und Bestechlichkeit definiert. In einem zweiten Protokoll vom Juni 1997 wurde die Verpflichtung festgelegt, Geldwäsche aus Betrugsvorgängen an den europäischen Finanzen als Straftat zu definieren. Das Übereinkommen und die Protokolle treten erst mit der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten in Kraft. Dies ist für das Übereinkommen und das erste Protokoll jetzt erfolgt. Das zweite Protokoll zum Übereinkommen wurde von Österreich, Deutschland, Finnland, Italien und Luxemburg noch nicht ratifiziert. Damit sind die Bestimmungen über Geldwäsche, die Verantwortlichkeit juristischer Personen und die Zusammenarbeit mit der Kommission weiterhin nicht in Kraft. (APA)