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Renate Schmidt: "Frauen brauchen Mut, wenn sie etwas verändern wollen"
Foto: Reuters/Rehle

Nach der Vermählung mit ihrem zweiten Mann Hasso von Hennings 1998 und der Abgabe des Partei- und Fraktionsvorsitzes in Bayern im Mai 2000 kündigte Renate Schmidt ihren Rückzug ins Privatleben an. Vor zwei Wochen wurde die 58-jährige SPD-Politikerin plötzlich als Nachfolgerin von Bundespräsident Johannes Rau gehandelt. Dass die vierfache Großmutter nun als Kabinettsmitglied wieder auf die bundespolitische Bühne zurückkehrt, überraschte selbst Parteifreunde.

Die nötige Qualifikation für ihre Aufgabe als Familienministerin wird ihr aber nicht einmal von der Opposition abgesprochen. Die in Hanau am Main Geborene weiß, was es heißt, Kinder und Job unter einen Hut zu bringen. 1961 musste sie kurz vor der Matura von der Schule abgehen, weil sie schwanger war. Beim Versandhaus Quelle machte sie eine Ausbildung als Program- miererin, was damals als exotischer Beruf – noch dazu für Frauen – galt.

Sie heiratete ihren Jugendfreund Gerhardt Schmidt und blieb auch nach der Geburt ihrer Tochter Jenny (1961) sowie ihrer Söhne Alexander (1963) und Florian (1970) weiter berufstätig. Unterstützt durch ihren Mann gründete sie 1972 eine Ortsgruppe der SPD-Jugendorganisation "Rote Falken" und trat der Partei bei. Im Quelle-Konzern wurde sie als Betriebsrätin zwischen 1973 und 1980 freigestellt.

Zum ersten Mal kandidierte sie 1980 für den Bundestag und verteidigte den Wahlkreis 230 dreimal in Folge – was im CSU-dominierten Bayern eine Besonderheit war. In der SPD arbeitete sie sich bis zur stellvertretenden Fraktionschefin und zur Vizeparteichefin hoch. Die wortgewaltige Fränkin machte sich vor allem als Vorkämpferin für mehr Kindergartenplätze einen Namen. "Wie ein Blitz", so schilderte Schmidt einmal, habe sie 1984 während einer Sitzung in Bonn die Nachricht ereilt, dass ihr Mann völlig unerwartet gestorben sei. Dass sie damals nicht bei ihm gewesen ist, macht sie sich heute noch zum Vorwurf.

Trotz dieses Schicksalsschlags ließ sich Schmidt, die eine bemerkenswerte Frohnatur mit ansteckendem Lachen und einer Vorliebe für knallrote Kleider und Riesenhüte ist, nicht unterkriegen. Sie zog sich nicht zurück, sondern versuchte ihre Erfahrungen durch politisches Engagement zu verarbeiten.

1991 nahm sie die Herkulesaufgabe auf sich, die SPD in Bayern wieder nach vorne zu bringen. Mit der begnadeten Stammtischrednerin als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl 1994 konnte die SPD immerhin von 26 auf 30,3 Prozent zulegen. Als Familienministerin wird sie ihren Lieblingsspruch "Frauen brauchen Mut, wenn sie etwas verändern wollen" noch häufiger zum Besten geben. Mit der "roten Renate" ist wieder zu rechnen. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.10. 2002)