Literatur
Kertész verteidigt Walser
Literatur sei "so frei"
Hamburg - Der diesjährige Literatur-Nobelpreisträger
Imre Kertész hat Martin Walser vor dem Vorwurf des Antisemitismus
wegen dessen Roman "Tod eines Kritikers" in Schutz genommen. Kertész
antwortete in einem Interview in der neuen Ausgabe der Hamburger Wochenzeitschrift "Die Zeit" auf die
Frage, ob die Literatur einen Überlebenden des Holocaust in der Form,
wie es Walser getan hat, karikieren dürfe: "Ja, so frei ist sie." Die
Romanfigur sei unsympathisch und zufällig Jude, aber in erster Linie
Kritiker.
"Warum soll es antisemitisch sein, wenn diese Romanfigur
unansehnlich ist? So weit ich weiß, ist das Vorbild für diese Figur
Herr Reich-Ranicki. Herr Reich-Ranicki ist kein Adonis. Das ist
wahr", sagte der ungarische Schriftsteller. Er glaube nicht, dass
Reich-Ranicki der Prototyp für den Juden schlechthin sein solle, das
wäre wirklich schrecklich. "Ich glaube auch nicht, dass Martin Walser
alle Juden unsympathisch findet. Er findet diesen einen Juden
unsympathisch." Diese Freiheit müsse es geben, sagte Kertész. (APA/dpa)