Licht auf blinde Flecken: "Say Amen, Somebody" und "Only The Strong Survive", zwei rare Zeitdokumente über Gospel- und Soulmusik
Redaktion
,
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Von Ray Charles ist ein Satz
über den Unterschied zwischen Gospel und weltlichem
Rhythm'n'Blues überliefert: "You just turn Jesus into Baby
and that's it." Die Viennale
zeigt zwei Filme, von denen
sich einer der Baby-, der andere der Jesus-Seite widmet. Die
Doku
Say Amen, Somebody,
im Rahmen der Hommage an
Kameramann Ed Lachmann,
und
Only The Strong Survive
von D. A. Pennebaker, der etwa mit der Bob-Dylan-Doku
Don't Look Back
bekannt wurde, und Chris Hegedus.
Say Amen, Somebody
porträtiert die Gospellegenden
Thomas A. Dorsey und Willie
Mae Ford Smith, die zur Entstehungszeit dieses Films von
George T. Niernberg, 1982, bereits 83 und 79 Jahre alt waren.
Dorsey etablierte den Überbegriff Gospel für jenes Liedgut,
das zuvor "Spiritual" oder "Field Hymn" genannt wurde.
Nierenberg gelingt es im
Laufe des Films anhand der
miteinander verschmelzenden Biografien von Dorsey
und Ford Smith die Bedeutung der Kirche im afroamerikanischen Leben heraus zu
arbeiten. Zudem verdeutlichte er anhand der gezeigten "Ceremonies" und "Conventions" die Lebensfreude, die ihre Besucher aus der Musik beziehen - Dorsey: "Gospel is
good news."
Die gezeigte Wirkung gibt
ihm recht: Von Gefühlen
überwältigte Kirchgeher, die
in Tränen ausbrechen. Pianisten, die ihr Publikum zur Verzückung führen und immer
wieder Sängerinnen und Chöre, deren Stimmen schlichtweg atemberaubend sind.
Lachmanns Kameraarbeit
vermittelt das Gefühl, als wäre
der Betrachter unmittelbar in
die jeweiligen Szenen involviert, ohne dass der Eindruck
entsteht, die Gezeigten wären
von der Kamera je irritiert.
Pennebaker, der sich der
Baby-Seite, dem Soul widmet,
begab sich 1999 in den amerikanischen Süden auf Spurensuche nach Größen der Soul-Ära. In Memphis traf er
Künstler des legendären Stax-Labels wie William Bell, Rufus
Thomas und seine Tochter
Carla, Isaac Hayes oder auch
Wilson Pickett.
Only The Strong Survive
zeigt eine von der medialen
Öffentlichkeit kaum wahrgenommene Kultur. Eine
Künstlergeneration, die, weil
schwarz, ohnehin immer
(medial) diskriminiert, zusammen mit ihrem treuen Publikum älter wird. Die Parallelen der Filme zeigen sich in
der Reaktion des Publikums,
das die jeweilige Message, sei
sie weltlich oder säkular, mit
ungebrochener Euphorie aufnimmt. Wie sagt Willie Mae
Ford Smith am Ende von
Say
Amen, Somebody
: "I won't be
through with my work until
God takes my voice." Zwei berührende Werke.
(DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2002)
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