"Starbuck war ein langer,
ernster Mann, und obwohl er
an einer eisigen Küste geboren, schien er wohlgeeignet,
Tropenhitze zu ertragen, denn
sein Fleisch war so hart wie
doppeltgerösteter Schiffszwieback." (Herman Melville,
Moby Dick
) Als Holger Meins
am 9.11. 1974 in der Justizvollzugsanstalt Wittlich im
Rahmen eines Hungerstreiks
an Herzstillstand, provoziert
durch extreme Auszehrung,
verstarb, wussten nur noch
wenige, dass damit auch ein
Filmemacher gestorben war.
Bewusst wurde das den
meisten erst, als Danielle
Huillet und Jean-Marie Straub
ihrem
Moses und Aaron
die
Widmung "Für Holger Meins
J-M.S. D.H." voranstellten -
was 1975 für einen massiven
Medienskandal sorgte - und
darauf hinwiesen, dass dies
nur eine Erinnerung an einen
Kollegen sei.
Ein Kollege, erst einmal
bloß ein Filmstudent, der
letztendlich nur drei kurze
Filme realisieren konnte, von
denen zwei,
BZ ins Klosett
und
Herstellung eines Molotow-Cocktails
als verschollen gelten; zwei weitere blieben unvollendet. Außerdem war
Meins als Kamera- oder Tonmann unter anderem an Filmen von Hartmut Bitomsky,
Harun Farocki, Helke Sander
sowie Gerd Conradt beteiligt
und ist etwa in Filmen von
Thomas Mitscherlich und
Claudia von Alemann zu sehen. Sein einziges erhaltenes
Regiewerk ist
Oskar Langenfeld (14x)
, den die Viennale
nun ebenfalls zeigt.
Gerd Conradt und Hartmut
Jahn realisierten 1982
Über
Holger Meins, Ein Versuch,
Unsere Sicht heute.
Conradts
Starbuck - Holger Meins
, Porträt einer filmemachenden
RAF-Ikone, ist die Fortsetzung
dieser ersten (halb) eigenen
Annäherung - vor allem ist es
ein eigenständiger Versuch
über das Vergehen der Zeit,
darin der Stasis des Mythos
wie der Erinnerung.
Inzwischen ist Holger
Meins zum Katalysator einer
ganzen Generation geworden.
Starbuck - Holger Meins
erzählt denn auch eigentlich nur
am Rande von Meins selbst,
und was er da auch über die
RAF sagt, ist zum Teil altbekannt, zum Teil so kryptisch,
dass es eines veritablen Spezialisten bedarf.
Sein eigentliches Thema
sind die so genannten 68er, im
Fall der im Film zu Wort gebetenen Personen primär gesellschaftlich Arrivierte, Konsolidierte. Die Analyse muss vom
Zuschauer kommen, die
manchmal recht sentimentalen Protagonisten bieten gerade mal das Rohmaterial - gestellt wird implizit immerhin
die eine essenzielle Frage,
nicht: Was hat es gebracht?
Sondern: In welchem Verhältnis steht die Vergangenheit zur Gegenwart, der Traum
zur Realität? (DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2002)
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