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Der Großmufti von Jerusalem, Scheich Ikrima Sabri, bestreitet jede historische Verbindung der Juden mit Jerusalem

Foto: REUTERS/Nir Elias
Jerusalem, der Tempelberg und die darauf stehenden Moscheen sind ein politisch-religiöses Minenfeld. Dementsprechendes Unbehagen löste am Dienstag die Nachricht von der vorübergehenden Festnahme des Großmuftis von Jerusalem durch die israelische Polizei aus. Doch nach einem dreistündigen Verhör wurde Scheich Ikrima Sabri, der den Israelis wegen seiner radikalen Einstellung seit Jahren ein Dorn im Auge ist, wieder freigelassen. Laut Polizei war er wegen eines Interviews befragt worden, in dem er am 1. Juni in der palästinensischen Zeitung Al-Ayyam die Selbstmordanschläge als legitimes Mittel der Selbstverteidigung bezeichnet habe. Er sei ohne Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden, sagte der höchste muslimische Geistliche in Palästina später der Deutschen Presse-Agentur. Er habe die israelische Polizei davon überzeugen können, dass "die mir zugeschrieben Erklärungen unwahr sind". Bei der Einvernahme soll der 63-jährige Mufti erklärt haben, er sei für die Fortsetzung der Intifada, aber gegen Terror und Selbstmorde. Die Protokolle wurden dem Generalstaatsanwalt übergeben. Ein Sohn Sabris vermutete, dass sein Vater auch wegen dessen Freitagpredigten in der Al-Aksa-Moschee festgenommen wurde, die aus israelischer Sicht als hetzerisch gelten. Sabri war bereits im vergangenen Jahr von der israelischen Polizei vorübergehend festgenommen worden, weil er in einer Freitagspredigt zur Gewalt aufgerufen haben soll. Neue Zusammenstöße Nach einer langen Periode der Ruhe in der Jerusalemer Altstadt kam es am vorletzten Freitag nach den islamischen Gebeten wieder zu Zusammenstößen. Palästinenser hatten vom Tempelberg Steine heruntergeworfen, israelische Polizisten waren erstmals nach 14 Monaten auf das Plateau vorgedrungen. Am vergangenen Freitag verboten die Israelis daraufhin Palästinensern, die jünger als 40 sind, den Zutritt zu den Moscheen. Sabri hat diese Maßnahme in seiner Predigt kritisiert. Sabri war 1994 von der Palästinensischen Behörde in das höchste islamische Amt in der Region bestellt worden, nachdem zuvor die Jordanier jahrzehntelang den Tempelberg verwaltet und auch den Mufti ernannt hatten. In der Vergangenheit hat Sabri Palästinenser, die in der Intifada sterben, als "Märtyrer" gepriesen. Der Großmufti bestreitet jede historische Verbindung der Juden mit Jerusalem und untersagte mit einem religiösen Dekret einen Kompromiss, wonach palästinensische Flüchtlinge finanzielle Entschädigung für ihr Land bekommen könnten. In einem Zeitungsinterview bezweifelte Sabri, dass in der Nazizeit sechs Millionen Juden getötet wurden. Im März 2000 boykottierte er ein interreligiöses Treffen mit Papst Johannes Paul II. in Jerusalem, weil auch Israels Oberrabbiner dabei war. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 16.10.2002)