Es war einmal ein Wiener Theaterpreis, der war völlig unnötig. Aber den Kritikern und den Politikern und den Sponsoren, die ihn kreierten, gefiel es einfach, einen solchen Preis und damit sich selbst zu feiern. Und die Fernsehstation, die ihn ausstrahlte, wollte immer schon eine Art Oscar-Gala. Und damit wollten alle glücklich sein. Bis an ihr Lebensende. Es war einmal ein Theaterdirektor, der hatte es sich ein Leben lang zum Ziel gesetzt, sich von Kritikern, Politikern und Sponsoren nicht einkaufen zu lassen. Wer nicht für ihn war, der war ein Kunstverächter, ein Feind des "guten Österreichs". Der Direktor hatte auch nach seiner Abreise aus Wien noch viel Spaß dabei, seine Beiträge zur "Weltkomödie" Österreich zu feiern. Und weil er schon beim Feiern war, ließ er sich überreden: Na gut, den Nestroy-Preis fürs Lebenswerk - damit könnte ich Spaß haben, dachte er. Weltkömödie now! Bis ans Lebensende.

Es war einmal ein Künstler, der dachte: Jetzt ist Wahlkampf. Und als man ihn überreden konnte, eine Laudatio auf den Theaterdirektor zu halten, dachte er: Ich lasse mich auch nicht einkaufen. Ich überrasche die Leute mit einem Märchen über einen eitlen Bundeskanzler. Darüber freute sich der Theaterdirektor tatsächlich fast noch mehr als über den Preis. Weltkomödie now!, dachten beide - und demnächst vielleicht Wende-Ende.

Jetzt gab es aber Leute, die sagten, dass ihnen zu Österreich schon Märchen zur Genüge aufgetischt worden seien. Von links und rechts. Immer: Hier gut. Dort böse. Und dass das Gute gewinnen muss. Wir wollen endlich die Wahrheit hören, auch wenn die etwas komplizierter ist. Dazu hatten der Direktor und der Künstler keine Lust. Weltkomödie now! Preis zurück! Wer das nicht versteht, gehört nicht zum "guten Österreich" - und das ist kein Märchen, sondern Wahlkampf, äh, die Wahrheit! (DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2002)