Der Ex-FPÖ-Klubobmann in seinem Wohnzimmer (Zum Vergrößern anklicken)

foto: standard/cremer
Peter Westenthaler ist im "Freizeitstress". Statt Pressekonferenzen abzuhalten, baut er sein Wohnzimmer um. Mit Michael Völker sprach der zurückgetretene FPÖ- Klubobmann über Jobs, Jörg Haider und Andreas Khol.
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STANDARD: Haben Sie schon einen neuen Job? Westenthaler: Nein, ich bin noch am Sondieren. Ich lasse mir Zeit, weil ich ein bisschen Abstand gewinnen möchte - es ist ja noch nicht so lange her. Ich habe mich für den Vorstand der Fußball-Bundesliga beworben. Die Entscheidung fällt aber erst im Dezember. Es gibt auch noch andere interessante Angebote. STANDARD: Vermissen Sie die Politik? Westenthaler: Bis jetzt überhaupt nicht. Ich bin mir aber sicher, dass die Entzugserscheinungen kommen werden. Im Moment geht es mir sehr, sehr gut. STANDARD: Nicht einmal die Pressekonferenzen gehen Ihnen ab? Westenthaler: Überhaupt nicht. Mich wundert es eigentlich. Ich habe mir in der aktiven Zeit immer gedacht, was ist, wenn du das nicht mehr hast. Vielleicht ist es auch noch zu kurz. Die Ereignisse waren für mich persönlich einschneidend, sie sind noch zu nahe, als dass ich mich zurücksehnen könnte. STANDARD: Wie sind Ihre Kontakte zur FPÖ? Westenthaler: Ich habe einige wenige Kontakte auch nach dem Rücktritt aufrechterhalten. Sie sind aber sehr eingeschränkt. Mit dem Mathias Reichhold und auch mit dem Karl Schweitzer bin ich - hauptsächlich telefonisch - in Kontakt. Aber nicht beratend. Man tauscht sich aus. Die beiden, die in einer schwierigen Situation sind, sind es auch wert, unterstützt zu werden. STANDARD: Wenn Sie zurückblicken, was fühlen Sie da? Wehmut? Zorn? Enttäuschung? Verbitterung? Westenthaler: Enttäuschung ja, Zorn nicht. Enttäuschung, weil doch ein Lebensabschnitt so zu Ende gegangen ist, wie ich es nicht erwartet habe. Ich bin traurig über diese Entwicklung: Wenn man 15 Jahre Tag und Nacht investiert hat, das Projekt aufzubauen, und dann miterlebt, wie versucht wurde, es in kürzester Zeit zu zerstören. STANDARD: Die FPÖ hat sich mit einem Schlag halbiert. Westenthaler: So sieht es aus. Ich glaube aber, dass in den nächsten Wochen noch einiges aufzuholen ist. Aber trotzdem. Das Projekt, so wie es vor zweieinhalb Jahren angelegt war, ist nicht so weitergegangen, wie wir es uns vorgestellt haben. Das stimmt einen traurig, weil ich davon fix und felsenfest überzeugt bin, dass die FPÖ in diesem Projekt als Reformmotor bestätigt worden wäre, wenn wir dieses eine Jahr noch gemacht hätten. STANDARD: Mit dem gleichen Wahlerfolg wie 1999? Westenthaler: Dass die 27 Prozent nicht mehr erreichbar sind, war uns von Anfang an klar. Weil der Wähleraustausch von den Protestwählern zu den Regierungswählern nicht so schnell stattfindet. Unsere Latte war etwa zwischen 24 und 26 Prozent. Ich bin überzeugt, das wäre gelungen. Das wäre die Lizenz für die zweite Auflage dieser Koalition gewesen. Ob das jetzt alles so kommt, wage ich zu bezweifeln. STANDARD: Haben Sie im Nachhinein Zweifel, ob Ihr Rücktritt richtig war? Westenthaler: Daran habe ich nie gezweifelt. Im Gegenteil. Der Schritt war notwendig, weil sonst ein Dauerkonflikt entstanden wäre. Es waren die Bruchlinien zu groß, als dass man sagen hätte können, wir räumen das noch einmal weg. Das ging ja im Februar los, da ging es um meine Person. STANDARD: Da hat sich Jörg Haider aber überraschend auf Ihre Seite gestellt. Westenthaler: Das war für mich auch überraschend. Aber inhaltlich war es im Februar dieselbe Diskussion. Es war sozusagen das Vorspiel zum Hauptakt im Sommer. Es ist genau um dieselben Themen gegangen: FPÖ Regierungspartei ja oder nein. Und da habe halt ich den Schritt nach vorne gewagt, das war wahrscheinlich noch zu früh. Im Sommer hat sich das weiterentwickelt und aufgeschaukelt. Letztlich haben wir drei entschieden, wir machen dem ein Ende. Hätten wir es wieder runtergeschluckt, dann wäre es halt im Dezember oder Jänner aufgebrochen. Jetzt ist wenigstens Ruhe. STANDARD: Jetzt schaut es so aus, als hätten sich die "Knittelfelder" durchgesetzt. Ein wesentlicher Punkt, der zum Bruch geführt hat, war doch das Beharren auf der Steuerreform. Das ist jetzt auch ein zentrales Anliegen der FPÖ. Westenthaler: Das war meiner Meinung nach ein vorgeschobenes Thema. An der Steuerreform ist es nicht gescheitert. STANDARD: Woran ist es dann gescheitert? Westenthaler: Daran, dass man versucht hat, die Parteiführung, in dem Fall auch die Parteichefin, zu hintergehen. Das geht nicht, das kann nirgends funktionieren. Aber Schluss mit der Vergangenheitsdiskussion. STANDARD: Aber die Leute, die Unterschriften für den Parteitag gesammelt haben, sind ja nach wie vor vertreten. Westenthaler: Ich bin schon sehr zufrieden, dass ein Herr Stadler in der FPÖ weder einen Listenplatz noch sonst etwas zu sagen hat. Ich habe das den Delegierten nicht krumm genommen, die sind zu einem großen Teil in die Irre geleitet worden. Das in Knittelfeld, das war nicht die Basis, das waren überwiegend Funktionäre, das war der Mittelbau. Bei den kleinen Funktionären schaut die Stimmung schon ganz anders aus. STANDARD: Haben Sie Kontakt mit Jörg Haider? Westenthaler: Nein, da gibt es keinen Kontakt. Seit dem 8. September nicht mehr. STANDARD: Nicht ein einziges Telefonat? Westenthaler: Nein. STANDARD: Sie waren ja der Erste seiner Schützlinge, der sich ganz offen gegen ihn gestellt hat. Westenthaler: Ich habe mich nicht gegen ihn gestellt, ich wollte nur das vermeiden, was letztlich passiert ist, nämlich dass die Regierungsmannschaft beschädigt wird. Ich glaube, Haider ist selbst nicht einverstanden und zufrieden mit der Entwicklung. Da ist ihm vieles entglitten. STANDARD: Ist seine Zeit vorbei? Westenthaler: Im Moment sieht es so aus. Weil eine ganz klare Führungsstruktur in der FPÖ besteht, bei der er nicht dabei ist. Ich denke, die Entscheidung über den weiteren Weg der FPÖ fällt am Tag nach der Wahl. Ob dann der Wunsch nach Haider wieder kommt, wird vom Wahlergebnis abhängen und ob die FPÖ in der Opposition oder in der Regierung sein wird. STANDARD: Geht Ihnen ÖVP- Klubobmann Andreas Khol ab? Westenthaler: Das ist wirklich jemand, von dem ich sage, es tut mir sehr sehr Leid, dass wir nicht mehr täglich zusammenarbeiten. Das war für mich persönlich eine Kooperation und eine Lernphase, die ich für mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Ich habe mir fix vorgenommen, nach dem 24. November lad’ ich ihn zum Essen ein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.10.2002)