---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Italiens Wirtschaftssymbol Fiat droht unterzugehen, Gewerkschaften und Unternehmer laufen gegen das Haushaltsgesetz Sturm, das Staatsdefizit steigt in Rekordhöhen. Trotzdem sieht Italiens Regierung in diesen Krisentagen kein anderes Problem, als ein Gesetz über die Befangenheit der Richter durchs Parlament zu peitschen. Die seltsam anmutende Priorität ist schnell erklärt: Es geht ums Überleben von Premier Silvio Berlusconi, nur dieses Gesetz kann seinen einstigen Vertrauensanwalt und Freund Cesare Previti vor einem Urteil retten. Fällt Previti, fällt auch Berlusconi, sagt Exjustizminister Filippo Mancuso; Previti wisse alles über Berlusconis Aufstieg zum mächtigsten Mann Italiens, der laut Staatsanwaltschaft durch Bestechung von Richtern und Finanzern, schwarze Auslandskassen und Bilanzfälschungen möglich wurde. Previti und Berlusconi hatten die Geschäfte gemeinsam durchgezogen, jetzt setze Previti den Premier unter Druck, meint Mancuso, der in der ersten Berlusconi-Regierung sein Justizminister war. Berlusconis Koalitionspartner sind so nervös, dass es im Parlamentsfoyer schon zu Tätlichkeiten zwischen Mitte-rechts-Abgeordneten kam. Aber viele Politiker wissen, dass mit dem Fall Berlusconis auch der eigene Fall nahe ist. Ohne ihn würden nur wenige noch einmal Parlamentsboden betreten. Zähneknirschend und verschämt wird zugestimmt. Während die Intellektuellen, die Opposition und mit ihnen eine Hälfte Italiens Fackelzüge inszenieren und den Staatspräsidenten anrufen, baut der Medienzar auf die Macht seines Imperiums, baut darauf, dass der anderen Hälfte Fernsehshows wichtiger sind als Politdispute. Folgerichtig schlug er in diesen Krisentagen den bekanntesten Showmaster des Landes, Mike Bongiorno, als Senator auf Lebenszeit vor - eine Hälfte Italiens war verzückt. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.10.2002)