Wien
- Unbelastet - sprich:
gepäckfrei - Bahn fahren hat
seinen Preis. Konkret: 12,30
Euro - bei Besitz einer Vorteilscard 8,70 Euro - für die
so genannte Haus-Haus-Beförderung eines Gepäckstücks innerhalb Österreichs. Nicht mitgerechnet,
was es an Nerven kosten
kann, diese bequeme ÖBB-
Dienstleistung in Anspruch
zu nehmen.
Montag, 2.
September. Anruf im Mobilitätscallcenter
der ÖBB. Ein Mitarbeiter
haut hörbar in die Computertasten: "Eine Gepäckzustellung von Wien nach Reichenau in Niederösterreich
wollen Sie? Kein Problem!
Gepäckabholung am Mittwoch, den 4.
? O.K.! Wann
genau - ab 13 Uhr? Gut! Und die Zustellung - Donnerstag,
den 5.
ab 18 Uhr? Machen
wir!"
Mittwoch 4.
September, 11
Uhr. Es läutet: "Ich
.
.
.
ÖBB",
radebrecht ein der Landessprache unkundiger Haus-
Haus-Kofferabholer. Selbst
das Wort "Koffer" versteht er
nicht - aber der ist ohnehin
noch nicht fertig gepackt.
Mühsames Gestikulieren,
dann nickt der Mann, macht
kehrt - und kommt um 13
Uhr noch einmal vorbei.
Tags darauf, 5.
September.
Es ist Mittag. Das Telefon
klingelt: "ÖBB-Gepäckzustellung. Wir san mit Ihrem
Koffer jetzt bei der Zustelladresse in Reichenau. Es ist kaner da!", tönt es voller Vorwurf. Kein Wunder, es ist ja
auch noch nicht sechs Uhr
abends
.
.
. Doch diesen Einwand lässt der Mann nicht gelten: "Bei uns heraußen
wird nach 17 Uhr gar nix
mehr zugestellt. Des weiß ein
jeder!"
Nach längerem Suchen erbarmt sich eine Nachbarin
des herrenlosen Gepäckstücks. Doch ausgestanden
ist die Angelegenheit noch
nicht. Freitag, 6.
September,
15 Uhr - inzwischen in Reichenau. Anruf: "Ich steh' vor
Ihrer Wohnungstür in Wien.
Wegen dem Gepäck
.
.
.
Und zuletzt: Reichenau,
sieben Uhr früh, 20. September. Läuten an der Tür: "ÖBB-
Gepäckabholung. Wo ist der
Koffer?"
Am Montag, den 23. September dann kommt endlich
Bewegung in die Sache: Im
Postkasten liegt eine "Zahlungserinnerung". Es seien
noch 8.70 Euro für eine
Haus-Haus-Gepäckbeförderung offen. Dabei wurde der
Betrag nachweislich bezahlt:
am Bahnhofsschalter, zusammen mit den Fahrtickets.
"Wissen S' was? Der Schalterbeamte hat blöderweise
einen zweiten Haus-Haus-
Beförderungsauftrag gebucht", verkündet - nach
kurzen Recherchen - ein
ÖBB-Mitarbeiter der Abteilung Rechnungswesen am
Telefon. Er beruhigt: Zu bezahlen sei die Phantomgebühr sicher nicht.
ÖBB-Sprecher Gary Pippan bestätigt dies: "Nicht
umsonst haben wir ein Gebührenrückerstattungssystem." Seine Erklärung für die
Pannenserie: "Der heurige
September war ein unerwartet starker Reisemonat. Da
hat uns - aus Urlaubsgründen - das qualifizierte Personal gefehlt." (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 15.10.2002)