Die FPÖ rudert ganz ordentlich. Vor, zurück und im Kreis. Veto ja, nein, vielleicht. Im Zweifelsfall lassen es die Spitzenfunktionäre dann doch lieber offen, ob und wie sie mit dem AKW Temelín oder den Benes-Dekreten leben könnten. Das herzhafte Verlangen der FPÖ, wieder an einer Regierung beteiligt zu werden, bringt sie um eines ihrer besten Wahlkampfthemen: die EU-Osterweiterung. Eigentlich müssten vom Parteichef abwärts alle kräftig auf den Tisch hauen und dem freiheitlichen Veto gegen einen Beitritt Tschechiens das Wort reden. Das wäre die FPÖ ihrem Publikum, aber auch sich selbst schuldig. Zu deutlich hat man sich in der Vergangenheit festgelegt, was Benes-Dekrete und Temelín betrifft. Zu Letzterem gab es auch ein Volksbegehren. Erinnert sich noch wer? Andererseits will man die Regierung. Und das geht nur mit der ÖVP, so es sich überhaupt ausgeht. Mit der ÖVP, da hat sich Kanzler Wolfgang Schüssel eindeutig und auch glaubhaft festgelegt, ist eine Vetopolitik aber nicht zu machen. So muss die FPÖ wenigstens bis zu allfälligen Koalitionsverhandlungen leiser treten, will sie sich nicht schon im Vorhinein ausschließen. Dabei wäre es gerade jetzt einfach und verlockend, die ÖVP scharf anzugehen: Umweltminister Wilhelm Molterer hat es bei den Verhandlungen mit dem tschechischen Außenminister Cyril Svoboda zugelassen, dass die Frage der Nullvariante beim AKW Temelín "ausgelagert" wird. Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe wird das Thema möglicherweise streifen. Unverbindlich natürlich. Mit dem, was das österreichische Parlament beschlossen hat, hat das nicht mehr viel zu tun. Da muss es die FPÖ schon sehr jucken, ordentlich dreinzuhauen. Aber wenn das oberste Prinzip Mitregieren um jeden Preis heißt, dann werden alle anderen Prinzipien eben hintangestellt. Den großen Radau hebt sich die FPÖ offensichtlich fürs Regieren auf. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.10.2002)