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Mit dem US-Schauspieler und Komiker Robin Williams assoziierte man in letzter Zeit fast ausschließlich süßlich-sentimentale Rollen. In Christopher Nolans "Insomnia" spielt er nun einen Mädchenmörder.


In Alaska geht die Sonne nicht unter. Zwei Cops aus L. A. (Al Pacino, Martin Donovan) reisen an, um den Mordfall an einem Mädchen aufzuklären. Während einer Verfolgung im Nebel erschießt Pacino seinen jüngeren Kollegen und arbeitet fortan an der Verdunklung dieser Tat - an einem Tag, der nicht enden will, was ihn immer mehr in die Nähe des psychotischen Mörders (Robin Williams) treibt.

Insomnia ist das Remake eines gleichnamigen norwegischen Films von 1997 und der neue Thriller von Memento-Regisseur Christopher Nolan, der damit seine erste Großproduktion vorlegt. Der Film kontrastiert nicht nur die Schuld wie auch den physischen Notstand - die Schlaflosigkeit - seines Helden mit idyllischen Landschaftsaufnahmen; er gibt auch Williams als dessen Gegenspieler endlich eine Gelegenheit, sich an einer für ihn denkbar untypischen Rolle zu versuchen.

STANDARD: Sie haben mit Insomnia, Danny De Vitos Death to Smoochy und Mark Romaneks One Hour Photo gleich drei neue Filme gemacht, in denen Sie ungewöhnlich finstere Figuren spielen. Warum?

Williams: Zunächst war das eher ein Zufall. Es waren drei Rollen, die mir sehr gefielen, drei sehr unterschiedliche. Ich suche immer nach neuen Herausforderungen: Es war leicht, sich für One Hour Photo zu entscheiden, weil das Drehbuch so interessant war. Death to Smoochy war einfach unglaublich lustig, der Film kommt dem, was ich als Stand-up-Comedian mache, am allernächsten. Bei Insomnia war es natürlich zuerst Al Pacino - ich hätte den Film auch ohne Chris Nolan gemacht, mit Nolan war es eine Herausforderung mehr.

STANDARD: Wollten Sie sich vom Image des Mr. Nice Guy lösen?

Williams: Ich hatte die menschelnden Rollen nicht wirklich satt. Aber man wird eben oft als Typ gecastet, und irgendwann spielt man dann nur noch Doktoren, Psychiater, Kindermädchen - Menschen, die anderen Menschen helfen. Auch Pacino wechselt in letzter Zeit mehr und mehr zwischen Drama und Komödie, er machte etwa in diesem Jahr neben Insomnia noch S1m0ne, eine Komödie über ein virtuelles Mädchen. De Niro macht schon länger Komödien. Und Brando hat eine eigene Kochsendung.

STANDARD: Birgt so ein Imagewechsel nicht auch Risiken, schließlich gelingt er nicht vielen Schauspielern?

Williams: Nein, höchstens fürs Studio, aber nicht für mich. Es ist eine Minimalwette, man kann nichts verlieren. Weil es die Sichtweisen ändert. Ich versuche mich ja nicht neu zu erfinden: (mit düsterer Stimme) ein neues, dunkles Ich - Leute, ich bin zurück und schrecklich BÖSE...

Ich möchte schlicht unterschiedliche Rollen ausprobieren, das ist der Nervenkitzel. Selbst wenn es ein Risiko gäbe, so treibt es dich an, noch härter zu arbeiten. Ich habe ja schon gebrochene Figuren gespielt, etwa in Good Will Hunting, aber sie haben stets Erlösung erfahren. Das ist mit diesen Figuren anders, denn man kann sich nicht in sie einfühlen: Walter Finch in Insomnia ist gefährlich, und es gibt keine Erlösung für ihn. Er sagt nicht: Lebe dein Leben besser! Er sagt: Verschwinde, oder ich bring' dich um!

STANDARD: Aber Finch ist auch ein Killer, der ein Publikum sucht, der bemerkt werden will.

Williams: Ja, er will verstanden werden. Und Pacino antreiben, weil er glaubt, dass seine Tat genauso sehr ein Unfall ist. Und dann bohrt er in dessen Schuld und fragt danach, ob er seinen Kumpel nicht wirklich töten wollte. Er hat ihn schließlich bei der Tat beobachtet. Ich bin der Jago zu seinem Othello, ich manipuliere ihn. Es ist wie ein Tango. Sie versuchen sich zu verführen, und es läuft darauf hinaus: Wer fickt wen zuerst?

STANDARD: Sie machen aus Finch aber kein Monster, er wirkt gerade in seiner Ruhe bedrohlich.

Williams: Das Erschreckende an den meisten Killern ist ja, dass sie wie ganz normale Leute wirken. Sie sind keine Monster, sondern ganz gewöhnlich - außer dass sie 40 Leichen in ihrer Garage haben. Deswegen habe ich mir auch TV-Berichte über Killer angeschaut, weil sie darin alle diese ruhige Verhaltensweise zeigen. Sie sprechen über das Schlachten von Menschen meist leise und kontrolliert.

STANDARD: Wie war die Zusammenarbeit mit Chris Nolan und Mark Romanek, zwei jungen Regisseuren?

Williams: Beide sind sehr stilsicher. Chris ist schon etwas entspannter in dem, was er tut. Das lag wohl auch daran, dass Mark das Drehbuch zu seinem Film selbst geschrieben hat: Es ist demnach viel mehr noch um seine Vision gegangen. Chris hat wenig gesagt und den Fokus ganz selbstverständlich gefunden. Al Pacino hat sich sehr wohl gefühlt - spätestens daran konnte man erkennen, dass alles gut lief. Wenn er merkt, dass ein Regisseur nicht weiß, was er tut, dann flippt er aus.

Nolan hat ja etwas von Hitchcock, in Memento und in Insomnia: Beide versetzen dich in den Bewusstseinszustand der Figur. In Insomnia ahmt er die Geräusche nach, zeigt, wie das Licht auf einen Schlaflosen wirkt: Als jemand, der in den 80ern Drogen nahm, weiß ich, wie das ist. Man wacht auf und schreit: 'Ich fahre Auto'. Dabei hat man geschlafen. Oder noch schlimmer: Man sitzt im Bett und fährt Auto.

STANDARD: Einige Ihrer Kollegen haben sich kritisch zur Politik von George W. Bush geäußert. Teilen Sie ihre Ansichten?

Williams: Bis jetzt konnte er mich nicht überzeugen, dass ein Krieg gegen den Irak notwendig ist.
(Ahmt den knarzenden Texas-Akzent Bushs nach):
B: "Wir wissen, dass sie Waffen herstellen."
- "Woher wissen Sie das?"
B: "Weil ich es eben weiß."
- "Wie sehen sie aus?"
B: "Wir haben Bilder."
- "Zeigen Sie mir die Bilder?"
B: "Kann ich nicht."
- "Warum nicht?"
B: "Weil sie gerade entwickelt werden."
- "Die Waffeninspektoren sagen, sie haben sie nie gesehen."
B: "Ich weiß."
- "Haben Sie Quellen, wie heißen sie?"
B: "Darf ich nicht sagen."
- "Was werden diese Quellen sagen?"
B: "Kann ich nicht sagen."
- "Was werden wir also sehen?"
B: "Bilder."
- "Wo sind sie?"
B: "Kann ich nicht sagen."
- "Sind Sie sicher, dass es der Irak ist?"
B: "Könnte sein."
- "Könnte es nicht der Iran sein?"
B: "Vielleicht."

Redet man über die Tatsache, dass er ein Idiot ist? Natürlich. Er ist das, was du siehst. The guy, who cannot speak. Als Indien mit Pakistan wegen Kaschmir vor einem Krieg stand, haben wir den Witz gemacht: Er glaubt, es geht um einen Pullover. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.10.2002)