Wirtschaft
Grasser sieht Stabilitätspakt gestärkt
Finanzminister räumt mögliche Verzögerung von Defizit-Ziel 2004 ein - "Blauen Brief" für Frankreich gefordert
Luxemburg - Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) sieht das
Jahr 2004 weiter als das Zieldatum für die Staaten der Eurogruppen,
um annähernd ausgeglichene Haushalte zu erreichen. Zugleich räumte er
aber am Dienstag in Luxemburg am Rande des EU-Finanzministerrates
ein, dass es zu Verzögerungen kommen könnte: "Es obliegt der
EU-Kommission die Stabilitätsprogramme zu prüfen und dann im Frühjahr
zu sagen, das reicht für eine Erreichen des Zieles erst 2005 oder
2006." Es gebe aber keinen Konsens für eine allgemeine Verschiebung
des Ziels auf 2006. Grasser sieht den Stabilitätspakt durch die Diskussion der zwölf
Finanzminister der Eurogruppe am Vorabend gestärkt. In der
gemeinsamen Erklärung hätten sich alle Teilnehmer mit Ausnahme
Frankreichs zu einer "stablitätsorientierten Finanzpolitik" bekannt.
Mit der Verpflichtung zum jährlichen strukturellen Defizitabbau von
0,5 Prozent des BIP sei ein zusätzliches Element zur Erreichung
ausgeglichener Haushalte eingeführt worden.
In dem Papier der Eurogruppe werde ebenfalls festgehalten, dass
für Staaten mit einem "exzessiven Defizit" ein jährlicher Abbau von
0,5 Prozent zu wenig sei, betonte Grasser. Dass in dem Papier keine
Jahreszahl mehr für das Erreichen des Haushaltsziels genannt wird,
interpretierte Grasser als "beruhigend": "2006 steht nicht drinnen,
also gilt 2004." Auch EU-Währungskommissar Pedro Solbes habe in der
Diskussion klargestellt, dass die Kommission nicht eine Verschiebung
des Haushaltsziels auf 2006 angestrebt, sondern dieses Jahr als
"worst-case scenario" genannt habe.
"Blauen Brief" für Frankreich verlangt
"Frankreich hat in dieser Sitzung klar gemacht,
dass man sich vom Stabilitäts- und Wachstumspakt verabschiedet hat."
Darauf müsse die EU-Kommission reagieren und "am besten in den
nächsten Tagen" einen "blauen Brief" an die Regierung in Paris
senden, forderte Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) am Dienstag am
Rande der Tagung der EU-Finanzminister in Luxemburg. Frankreich hatte
in den Beratungen der Eurogruppe als einziges Land nicht zugestimmt,
ab 2003 mit einem jährlichen Abbau seines strukturellen Defizits um
0,5 Prozent zu beginnen.
Grasser zeigte sich von dem Verhalten von Paris enttäuscht. "Die
Politik Frankreichs steht nicht in Übereinstimmung mit Grundpfeilern
der von allen anderen anerkannten Stabilitätspolitik", kritisierte
Grasser. Als einziges Land in der EU gehe Paris "zurück zu einer
"alten Politik", die durch ein höheres Defizit eine höhere Konjunktur
erreichen wolle. Damit stelle sich Frankreich "außerhalb des
europäischen Konsens". Der französische Finanzminister Francis Mer
erklärte nach der Sitzung der Eurogruppe, sein Land habe "andere
Prioritäten".
Sollte Frankreich bei seiner angekündigten Haltung bleiben,
erwartet Grasser im kommenden Frühjahr "die Ablehnung des
französischen Haushaltsprogramms durch die EU-Kommission und die
anderen 14 EU-Staaten". Auch Sanktionen hält der österreichische
Finanzminister in diesem Fall für nicht ausgeschlossen. Zum Beispiel
könnte Paris dann der Zugang zu Krediten der Europäischen
Investitionsbank (EIB) verwehrt werden.
Im Falle Deutschlands, das für 2002 eine Defizitprognose von 2,9
Prozent vorgelegt hat, hält Grasser die Einleitung eines
"Frühwarnverfahrens" für "vorstellbar". Er habe in der Debatte der
Eurogruppe die EU-Kommission aufgefordert, "alle Mittel zur Stärkung
des Stabilitätspakts einzusetzen". Nun sei die Brüsseler Behörde am
Zug. (APA)