Europa
Regierungskrise in Nordirland spitzt sich zu
Zwei protestantische Minister wollen zurücktreten - London sprich von "ernster Lage" - Spionagevorwürfe gegen Sinn Fein
Belfast - Die Regierungskrise in Nordirland hat sich
am Montag weiter zugespitzt: Die beiden Minister der radikalen
protestantischen Democratic Unionist Party (DUP), Peter Robinson und
Nigel Dodds, wollten am Dienstag dem Parlamentspräsidenten ihren
"sofortigen" Rücktritt mitteilen, sagte ein Parteisprecher in
Belfast. Die DUP von Ian Paisley kämpft gegen das Friedensabkommen
von 1998, in dem sich die pro-britischen protestantischen und die
katholisch-republikanischen Paramilitärs zu ihrer Entwaffnung
verpflichtet hatten. Bereits zuvor war eine Rückkehr der Unruheprovinz unter britische
Direktverwaltung immer wahrscheinlicher geworden. Weder die aus
Protestanten und Katholiken bestehende nordirische Regierung noch das
regionale Parlament seien derzeit lebensfähig, sagte ein Sprecher der
britischen Regierung. Dagegen lehnt die irische Regierung, die sich
mit London um einen Frieden in Nordirland bemüht, eine Suspendierung
der Belfaster Institutionen bisher ab.
Premierminister Tony Blair sei sich "ganz und gar des Ernstes der
derzeitigen Lage bewusst", versicherte ein Regierungssprecher. "Dies
sind sehr schwierige Zeiten für das Friedensabkommen", so der
Sprecher weiter, der die beiden Konfliktparteien zu einer "Atempause"
aufforderte.
Unterdessen bezichtigte der nordirische Regierungschef David
Trimble die seinem Kabinett angehörende katholische Sinn-Fein-Partei
der "politischen Spionage". Die derzeitige Krise war durch die
Verhaftung mehrerer Mitglieder der Partei ausgelöst worden, die der
katholischen Untergrund-Organisation IRA nahesteht. Zwei von ihnen,
darunter der Parlamentssekretär Denis Donaldson, sollen im Besitz von
Informationen gewesen sein, die von der IRA hätten missbraucht werden
können. So sollen in Donaldsons Haus Geheimdokumente sowie Berichte
über vertrauliche Beratungen zwischen dem britischen
Nordirland-Minister John Reid und Premierminister Tony Blair gefunden
worden sein.
Trimble wollte sich am Dienstag mit Blair treffen. Auch der
Protestant hat mit seinem Rücktritt gedroht, sollten die beiden Sinn
Fein angehörenden Minister nicht aus der Belfaster Regierung
ausgeschlossen werden. Am Donnerstag wollte Blair zudem mit
Sinn-Fein-Chef Gerry Adams zusammenkommen. Die Regierung könnte einem
Auszug der von Trimble geführten Protestanten aus der
Regionalregierung durch deren Suspendierung zuvorkommen, doch gelten
die Chancen, die bereits drei Mal "ausgesetzte" Regierung später
erneut zusammenbringen zu können, mittlerweile als gering.(APA/dpa)