Österreich
Kaprun-Prozess: Passagiere waren eingesperrt
Türöffnung von innen nicht vorgesehen
Salzburg - Noch keine Entscheidung fiel am Montag beim
Kaprun-Prozess im Kolpinghaus über die - von der Mehrheit der
Verteidiger geforderte - Abberufung des Sachverständigen Anton Muhr.
Er wolle darüber erst entscheiden, wenn die Protokolle vorliegen,
erklärte Richter Manfred Seiss zu Beginn der Verhandlung. Der
Gutachter wird bis Mittwoch nicht teilnehmen, kündigte der Richter
an. Das Fernbleiben von Muhr, in dessen Haus in Reutte sich wichtige
Beweismittel wie die Seiten- und Heckwand aus Holz, ein Kantschutz
und ein Ballon mit rund 25 Liter Hydrauliköl befinden, begründete
Seiss "aus gesundheitlichen Gründen". Auch gehe er davon aus, dass
der Gutachter alle Fragen der Verteidiger beantworten werden, betonte
der Richter.
Etwas schwierig verläuft der Zeitplan für die Einvernahme der
Zeugen. "Erst zehn Minuten vor Verhandlungsbeginn haben einige
angerufen, dass sie nicht kommen können", so der Richter. Zunächst
wurde ein 33-jähriger Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr Bad
Gastein einvernommen, der am 11. November 2000 im Tunnel war.
Schwerster Atemschutz sei notwendig gewesen und beim Hinabsteigen vom
Mittelstollen sei auch eine Leiche auf der Stiege gelegen. "Personen
haben noch teilweise gebrannt, auch der Zug", schilderte der Zeuge.
Türöffnung von innen nicht vorgesehen
Eine Öffnung der Türen von innen sei bei der Standseilbahn nie
vorgesehen gewesen, "das hätte ich auch nicht genehmigt". Dies
erklärte der ehemalige stellvertretende Abteilungsleiter für
Seilbahnen im Verkehrsministerium bei seiner Zeugeneinvernahme. Nur
eine Fremdbergung sei sinnvoll.
"Es wäre nicht gut, wenn 150 bis 200 Leute selbst aussteigen. Eine
Panik würde ausbrechen und die Leute würden sich selbst gefährden",
sagte der Ministerialrat und bezog sich auf das Bergekonzept, das
eine Fremdbergung vorsieht.
"Nothämmer und Feuerlöscher waren nicht vorgeschrieben, deshalb
waren sie auch nicht vorhanden", so der 62-Jährige. Über Brandschutz
und -verhalten bei Seilbahnen habe man sich - auch international -
keine Überlegungen gemacht.
Zeuge sorgte für Erheiterung
Für Erheiterung sorgte am Vormittag die Einvernahme eines
63-jährigen Wieners, der vor 1985 mit der alten Bahn aufs
Kitzsteinhorn gefahren war. Der von einem Privatbeteiligtenvertreter
geladene Zeuge sagte aus, schon damals seien Kanister mit Diesel oder
Heizöl leicht hinauf transportiert worden. Der Heizstrahler könne seiner Meinung nach die Katastrophe nicht verursacht haben, denn er selbst habe sämtliche Zimmer bei sich zu
Hause mit solchen Geräten geheizt und sogar Experimente - wie Decken
drüberwerfen etc-. durchgeführt. Gebrannt habe nie etwas, so der
63-Jährige, der nach eigenen Angaben "schon mit fünf Jahren
gezündelt" hat.
Seine damalige Fahrt auf das "Kitz" sei die einzige gewesen, denn
die Mengen an Kanistern hätten ihn geschockt. Außerdem habe er sich
von einem Mitarbeiter noch dumm anreden lassen müssen. "Als ich ihn
auf die Gefahr dieser rund 800 Liter Diesel oder Heizöl leicht
angesprochen hab', meinte der nur, dann fahren Sie halt mit einem
anderen Zug."
"Immer mit der Seilbahn"
Außerdem habe er zur Antwort bekommen, die Kanister seien immer
schon mit der Seilbahn hinauf transportiert worden "und das wird
immer so sein." - Obwohl er den Dialog mit dem Bediensteten (vor dem
Jahr 1985) sehr genau wiedergeben konnte, vermochte der Zeuge Fragen
der Verteidiger, welche Firmen er in letzter Zeit angerufen hatte,
nicht zu beantworten. "Die Gefahr eines Brandes oder einer Explosion war nie angedacht
worden", stellte der Geschäftsführer der Seilbahnen und
Schienenbahnen in der Bundeswirtschaftskammer vor Gericht fest. Erst
nach Kaprun habe man sich mit diesem Gefährdungspotenzial
international zu beschäftigen begonnen. Er sei zwar mehrmals in
Kaprun gewesen, und was die Arbeitsplatzevaluierung betreffe, wäre
alles in Ordnung gewesen. Auch der angeklagte Mitarbeiter der
Gletscherbahnen Kaprun AG (GBK) sei geeignet gewesen, führte der
40-Jährige aus.
Die GBK hätten bei seiner Firma schwer entflammbares Kunstharz
bestellt, das Brand hemmend sein sollte, erläuterte der nächste
Zeuge, ein 43-jähriger Geschäftsführer eines Handelsbetriebes. Was
damit dann geschehen sei, wisse er nicht. Nähere Angaben über etwaige
Bestellungen oder Unterlagen konnte er nicht mehr geben, da alles im
Zuge einer Übersiedlung alles entsorgt worden wäre und der damalige
Chef schon tot sei. Aber Gendarmeriebeamte hätten die Unterlagen
ohnehin gesehen.
Die Verhandlung wird am Dienstag um 9.30 Uhr mit weiteren
Zeugeneinvernahmen fortgesetzt. (APA)