Film
Wächter der US-Tugend
Videofirmen zensurieren Blockbuster, Gegner protestieren
Los Angeles - Kriegsfilme zeigen Kriege, und Liebesfilme
zeigen Liebesszenen - einige Firmen in den USA wollen das nicht
länger hinnehmen: Einem moralischen Kreuzzug gleich ziehen
mittlerweile etliche Videovertriebe gegen bekannte Kassenschlager ins
Feld und schneiden Szenen, die Gewalt, Sex oder Kraftausdrücke
enthalten, kurzerhand aus dem Filmmaterial. Das Kriegsepos "Saving
Private Ryan" verliert so einige seiner blutigen Kampfszenen, und der
Hollywoodstreifen "Titanic" muss ohne Kate Winslets nackte Brüste
auskommen. Vorsorgliche Klage gegen Top-Regisseure
Regisseure und Filmverbände laufen gegen diese
"Bereinigung" der Blockbuster Sturm. Die selbsternannten
Sittenwächter fühlen sich dagegen voll im Recht und reichten
vorsorglich schon mal Klage gegen mehrere Top-Regisseure ein, um sich
dieses auch verbriefen zu lassen.
Nomen est omen: CleanFlicks"
Angeführt wird die neue Moral-Bewegung von der Video-Kette
CleanFlicks. Das in Salt Lake City im Mormonen-Bundesstaat Utah
ansässige Unternehmen verkauft und verleiht die zensierten Filme
bereits in 70 Filialen sowie per Internet. Daneben bietet es seinen
Kunden an, ihre privaten Video-Kollektionen von Sex- und Gewaltszenen
zu befreien.
Helfen, moralische Ansprüche aufrecht zu erhalten
"Wir lieben Filme, aber wir wollen sie uns lieber ohne
Sex, Nacktheit, Flüche oder extreme Gewalt anschauen", betont ein
Unternehmenssprecher. Und da viele andere Bürger denselben Wunsch
hätten, habe sich die Firma zum Vertrieb der bereinigten Werke
entschlossen. "Unsere Mission ist es, den Zuschauern einen Zugang zu
Hollywood-Entertainment ohne anstößige Elemente anzubieten und ihnen
damit zu helfen, ihre hohen moralischen Ansprüche aufrecht zu
erhalten."
Filmemacher: Zensur aus reinem Gewinnstreben
Vollkommen unmoralisch finden dagegen die Filmemacher der
unerlaubt beschnittenen Werke das Treiben von CleanFlicks. Die
Kinofilme würden schließlich ohne das Einverständnis der
entsprechenden Studios oder der Regisseure bearbeitet, und dies
lediglich aus reinem Gewinnstreben, erbost sich Martha Coolidge,
Präsidenten der Regisseursvereinigung Directors Guild of America
(DGA). "Das ist unethisch, und es ist eine Schande." Szenen aus
Filmen herauszuschneiden, sei ebenso falsch, wie Seiten aus einem
Buch herauszureißen, bloß weil dort etwas nicht gefalle - noch dazu,
wenn das so verstümmelte Werk anschließend unter dem Originaltitel
und im Namen des eigentlichen Autors veröffentlicht werde.
Klagen gegen Spielberg, Altman, Redford, ....
Angesichts dieser lautstarken Proteste reichte CleanFlicks im
August vorsorglich Klage gegen Regisseur-Legenden wie Steven
Spielberg, Robert Altman, Robert Redford, Martin Sorsese und Steven
Soderberg ein. Um den befürchteten Klagen der Filmgrößen gegen die
Manipulation ihrer Streifen zuvorzukommen, will sich CleanFlicks nun
von einem Bundesrichter bestätigen lassen, dass die Firma das Recht
hat, Videos und DVDs für den privaten Gebrauch zu bearbeiten.
Gegenklage: Vorwurf der Fälschung
Um den selbsternannten Tugendwächtern einen Riegel vorzuschieben,
hat die Regisseursvereinigung juristisch inzwischen nachgezogen und
reichte Ende September Klage gegen CleanFlicks und zwölf ähnliche
Unternehmen ein. Die DGA wirft den Unternehmen vor, die Filme illegal
bearbeitet und wiederverkauft und damit gegen ein Bundesgesetz zum
Schutz vor gefälschter Werbung, Markenverletzung und unfairen
Wettbewerb verstoßen zu haben.
CleanFlicks bestreitet diese Vorwürfe. Niemand wolle die
bestehenden Märkte der Studios angreifen. Vielmehr solle ein neuer
Markt erschlossen werden: Für Zuschauer, die weder sich noch ihre
Kinder den Darstellungen von Sex und Gewalt oder irgendwelchen
Kraftausdrücken aussetzen wollten. Schließlich stünden auch
puritanische oder besonders religiöse Bevölkerungsgruppen unter dem
Schutz der US-Verfassung. (APA)