Agrarminister Molterer, Nebenerwerbs- mediensprecher

Foto: STANDARD/Cremer
... Wie auch eine Presseförderung nach politischer Sympathie.
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STANDARD: Täglich Proteste der Opposition, wie ÖVP-lastig der ORF berichtet. Die ORF-Reform hat offenbar gegriffen, er ist fest in bürgerlicher Hand. Wilhelm Molterer: Der ORF stellt objektive Berichterstattung gerade in sensiblen Zeiten sicher. Die SPÖ muss sich deklarieren, ob sie Schubumkehr in der Objektivität plant. STANDARD: SP-Mediensprecher Cap fordert: Werbebeschränkungen für Zeitungen und Magazine im ORF aufgeben, Werbeverbote lockern, weniger Macht für den Stiftungsrat ... Molterer: Da sollten die Alarmglocken läuten. Josef Cap sagt ganz klar, was er will: Einfluss im ORF. Das wird es mit uns sicher nicht geben. Und die Kernpunkte der ORF-Reform - wie die Werberegulative - sind nicht disponibel, weil klug gewählt. STANDARD: Er will vielleicht nur jenen Einfluss, den sich die ÖVP im ORF nun gesichert hat. Molterer: Es hat früher einen Rotfunk gegeben. Jetzt gibt es einen Rot-Weiß-Rot-Funk. STANDARD: Oder Schwarzfunk. Molterer: Rot-Weiß-Rot-Funk. STANDARD: Die Grünen wollen weniger Landesstudios. Molterer: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk rechtfertigt sich neben Objektivität, Kulturauftrag, Vielfalt ganz entscheidend mit dieser regionalen Verwurzelung. STANDARD: Und die braucht so hohen Aufwand? Molterer: Föderalismus ist uns etwas wert, nicht nur im Zusammenhang mit dem ORF. STANDARD: Der ORF muss sparen. Wenn nicht an den Landesstudios, wo dann? Molterer: Bin ich ORF-Generaldirektor? Aber warum hebt das Finanzministerium für die Einhebung der Rundfunkgebühren Geld ein, obwohl es sie gar nicht mehr einhebt? Da geht es um 1,5 Prozent der Gebühren. STANDARD: Und die 45 Millionen Euro Gerätentgelt, die derzeit ins Bundesbudget fließen? Wem sollte das Geld zugute kommen? Dem ORF? Molterer: Ja, indirekt auch über den Digitalisierungsfonds und die Förderung der Film- und Produktionswirtschaft. Aber ich bin nicht bereit, ein Signal auf der Einnahmenseite zu setzen, wenn der ORF nicht eines auf der Kostenseite setzt. STANDARD: Privat-TV wurde endlich zugelassen, zu sehen ist aber noch immer nichts. Molterer: Die Umsetzung ist eine unternehmerische Entscheidung. Der Werbemarkt ist derzeit schwierig. STANDARD: ATV-Hauptgesellschafter Herbert Kloiber fordert, die Bedingungen für Privatfernsehen nachzubessern. Molterer: Ich bin jederzeit bereit zu diskutieren, wo da noch Hürden sind. Wir haben den Privatradios ermöglicht, sich zu Senderverbünden zusammenzuschließen, und so eine bessere Basis geschaffen. STANDARD: Schafft es ATV nicht und gibt die Frequenzen zurück: Soll man sie für Digital-TV nutzen, wie der ORF sagt? Molterer: Ich bin für neuerliche analoge Vergabe. Nicht alle Argumente des ORF sind rational nachvollziehbar. STANDARD: Unerledigt blieb eine Reform der Presseförderung. Molterer: Weil das einer der sensibelsten Punkte ist. Wir haben in dieser Legislaturperiode die Werbeabgabe halbiert, in der nächsten wollen wir sie ganz streichen. STANDARD: Die ÖVP sagte, die FP blockiert mit der Forderung, bestimmte Titel dürften nicht gefördert werden. Sehr entschlossen wirkte aber auch die ÖVP nicht, deren Zeitungen ohnehin gefördert werden. Molterer: Den Befund teile ich nicht. Eine selektive Vorgangsweise nach Politgefühl oder Politbarometer hätten wir jedenfalls nicht akzeptiert. STANDARD: Soll man gewinnträchtige Titel wie die Krone weiter fördern? Molterer: Titelvielfalt zu fördern hängt sicher von der Höhe der Auflage ab. Von Subventionen für Journalistenausbildung oder Vertrieb kann aber man nicht manche von vornherein ausschließen. STANDARD: Ist es für eine Demokratie gesund, dass eine Konzernfamilie den Zeitungsmarkt und den Magazinmarkt völlig beherrscht? Molterer: Richtig ist, dass die Konzentration in Österreich sehr hoch ist. Deshalb gibt es das neue Kartellrecht. STANDARD: Nur existiert der Konzern bereits. Molterer: Ich bin Realo. Es hat ja bestimmte Gründe gegeben, warum diese Entscheidung gekommen ist. STANDARD: Keine Entflechtung? Molterer: Ich leugne Sorge über die Medienkonzentration nicht. Aber rückwirkende Auflösung sehe ich nicht. STANDARD: Es ist nicht rückwirkend, einem Konzern aufzutragen, einen bestimmten Teil zu verkaufen. Molterer: Das ist rückwirkend. STANDARD: Welche "bestimmten Gründe" gab es aus Ihrer Sicht, die Magazinfusion zuzulassen? Molterer: Wirtschaftliche für die Erhaltung von Titeln. STANDARD: Für die es andere Käufer gegeben hätte. Molterer: Schon richtig, aber das Kartellgericht hat zugestimmt. STANDARD: Aber unter welchen Umständen ... Molterer: Ich diskutiere grundsätzlich nicht über gerichtliche Entscheidungen. STANDARD: Vor wem fürchten Sie sich als Minister mehr? Vor Breitseite statt Bauernmanifest der Krone oder vor den vereinigten News-Magazinen? Molterer: Grundsätzlich vor gar nichts. Es hat ein Bauernmanifest gegeben, schön. Es hat eine Temelín-Kampagne gegeben, unschön. Es kann doch kein Maßstab sein, ob mir Berichterstattung politisch passt. Mir passt nicht alles, was in Ihrer Zeitung steht, bin aber froh, dass es Ihre Zeitung gibt. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 5./6.10.2002)