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Experte: Die natürliche Auen-Fauna verschwinde nahezu völlig.

Foto: APA/Schlager
Wien - Das Jahrhundert-Hochwasser in Österreich hat nicht nur in Siedlungsgebieten schwere Schäden verursacht. Zahlreiche Naturstandorte entlang der Donau wurden durch extreme Sand- und Schlammablagerungen regelrecht verwüstet, erklärte der niederösterreichische Ökologe Bernhard Seidel. Unmengen an Feinsedimenten seien durch das Hochwasser aus den Kraftwerks-Stauräumen ausgespült worden und hätten sich in den Auen abgelagert. "Diese wurden dadurch ökologisch extrem und nachhaltig verändert, die natürliche Auen-Fauna, insbesondere die charakteristischen Bodentiere, verschwindet nahezu völlig, womit auch größeren Tieren wie Amphibien und Vögeln die Nahrungsgrundlage entzogen wird", warnte Seidel anlässlich des Welt-Tierschutztages. Schlammentfernung unmöglich In den überschwemmten Dörfern und Städten hat man mittlerweile den Großteil der Schlammmassen mit großem Arbeitsaufwand beseitigt - in den Auen ist das unmöglich. Dort haben laut Seidel die Sand- und Schlammablagerungen die Landschaft langfristig und nachhaltig verändert. "Riesige Sanddünen sind keine natürlichen Auen-Standorte", sagte Seidel. Die Folgen der Bodenveränderung sei eine massive Reduktion der bodenlebenden Tiere, sowohl was die Artenzahl als auch die Individuenzahl betrifft. So würden etwa Tausendfüßer und Laufkäfer fast vollständig verschwinden. Oft seien jene Tiere, die man dann noch finde, standortfremde Arten, die aus Agrargebieten einwandern. Aber auch größere Tieren wie Schnecken oder Amphibien würden vom Schlamm begraben oder nicht mehr die entsprechenden Lebensgrundlagen finden und auch verschwinden. Betroffen seien auch Fische, vor allem Jungtiere, die in dem verschlammten Wasser ersticken. Bei früheren Untersuchungen nach Hochwässern Anfang der neunziger Jahre hat Seidel an verschiedenen Auenstandorten nur fünf Prozent der Arten gefunden, die man dort erwartet hätte. Aktuelle Untersuchungen nach dem heurigen Hochwasser hat der Ökologe bisher nicht durchgeführt, er rechnet aber damit, dass angesichts der Schwere des Ereignisses die Situation noch dramatischer ist. Problem Kraftwerke Prinzipiell lebt eine Auenlandschaft von regelmäßigen Überschwemmungen. Das Problem sind allerdings die zahlreichen Kraftwerke entlang der Donau. Denn in deren Stauräumen werden über Jahre feinste Partikel, so genannte Feinsedimente, abgelagert. Bei starken Hochwässern werden diese ausgespült und dann unterhalb des Kraftwerks wieder abgeladen. Laut Seidel, der seit Jahren vor den Problemen dieser Feinsedimente warnt, sei bei der Genehmigung von Kraftwerken dieser Thematik bisher zu wenig Augenmerk geschenkt worden. Man habe sich etwa im Bereich des Auen-Nationalparks eher auf die Sohle-Stabilisierung konzentriert und die Schwierigkeiten mit den Feinsedimenten nicht beachtet. Seidel erwartet sich, dass sich die Situation ökologisch künftig eher weiter verschlechtern werde. Nur eine einschneidende Veränderung der Stauraumbewirtschaftung könnte diese Entwicklung stoppen. Doch das sieht auch der Ökologe als "absolut unrealistisch". Chancen im Nationalpark Im Nationalpark Donauauen gibt man dem Ökologen Bernhard Seidel prinzipiell recht, irreparabel seien die Schäden allerdings nur dort, wo man weitgehend natürliche Verhältnisse nicht wieder herstellen könne, etwa im Bereich der Kraftwerksketten. Im Nationalpark selbst habe man aber Möglichkeiten, das Problem in den Griff zu bekommen. Durch das Öffnen von Seitenarmen werde die Fließgeschwindigkeit des Wassers in der Au erhöht und dadurch die Sedimente wieder abtransportiert, sagte Christian Baumgartner vom Nationalpark Donauauen. Die Auflandung durch Sedimente nach Hochwässern sei ein natürlicher Prozess. Die Auen hätten auch ein adäquates Gegenmittel: die Erosion durch die Seitengewässer, die sich im Laufe der Jahre ständig neu ihren Weg durch die Landschaft bahnen und dabei die früher angelagerten Stoffe wieder abtransportieren. Allerdings gebe es zwei Probleme: durch die angesammelten Feinsedimente in den Stauräumen sei die Auflandung bei Hochwasser stärker als bei einem freifließenden Fluss und durch die Regulierung sei der Wasserabfluss auf den Hauptstrom konzentriert. Im Nationalpark Donauauen gebe es eine Reihe von Projekten, um dies zu vermeiden. Im Nationalpark werden Seitenarme zur Donau hin geöffnet und so eine natürliche Flusslandschaft wieder hergestellt. Dies sei nicht nur eine Maßnahme nach Hochwässern. "Das geht allerdings nur, wenn man den vollen Zugriff auf die Fläche hat, wie eben im Nationalpark", sagte Baumgartner. Der Ökologe macht in diesem Zusammenhang auf ein internationales Problem der Feinsediment-Ansammlung in den Stauräumen aufmerksam: Die feinsten Partikel, die sich in den Stauräumen bzw. nach Hochwässern in den Flusslandschaften ansammeln würden Donau-abwärts fehlen. Dadurch komme es etwa in Rumänien zu einer Flusseintiefung. Ganz besonders betroffen sei aber auch das Donau-Delta, das statt zu wachsen von Jahr zu Jahr kleiner werde. (APA)