Das Zähneknirschen in Washington war quasi in Wien zu vernehmen, als Hans Blix, Chef der UN-Waffeninspektoren, vor die Presse trat, um eine Einigung zwischen Irak und UNO zu verkünden: Vorsichtig sagte Blix zwar, dass es eine Einigung über "technische Fragen" sei, die Botschaft war jedoch klar: Der Irak hat wieder Inspektoren akzeptiert. Saddam ist momentan der US-Regierung regelmäßig einen Schritt voraus, schrieb fast anerkennend die Washington Post .

Die Einigung erfolgte auf einer Basis, die für die USA nicht mehr existiert: die vergleichsweise weiche UNO-Resolution 1284 aus dem Jahr 1999, ein Sündenfall der Clinton-Regierung. Glücklicherweise (für die USA) hat sie einen Defekt (für die Iraker), der in Wien zum Tragen kam: 1284 bezieht sich auf alle möglichen, früher abgeschlossenen Sicherheitsratsresolutionen, nicht aber auf Resolution 1154 aus dem Jahr 1998, in der ein Memorandum of Understanding bestätigt wurde, das UNO-Generalsekretär Kofi Annan zuvor mit Bagdad abgeschlossen hatte.

Darin und in ergänzenden Briefen des Generalsekretärs sind die Prozeduren für die Inspektionen der ominösen acht Präsidentenpaläste festgelegt: nur nach Ankündigung und ausgeführt von einer zahlenmäßig beschränkten Inspektorengruppe, die von internationalen Diplomaten begleitet werden muss. Inspektionen auf Basis des Memorandums haben 1998 auch tatsächlich stattgefunden - ergebnislos.

Der Irak vertrat nun in Wien die Meinung, dass das Memorandum noch in Kraft sei - rechtlich bewegt er sich aus oben genannten Gründen damit auf dünnem Eis, was wiederum den USA nur willkommen sein kann. Denn hier kann man gut ansetzen, um zu beweisen, dass der Irak keineswegs kooperationswillig ist, nicht einmal nach Resolution 1284.

Ein Knackpunkt sind die Präsidentenpaläste natürlich trotzdem nicht: Für die USA ist ja auch das, worüber man sich in Wien geeinigt hat, irrelevant. In für seine Verhältnisse fast drohendem Ton gab Außenminister Colin Powell bekannt, dass es die USA, verdammt noch einmal, nicht wünschen, dass die UNO-Waffeninspektoren in den Irak reisen, zumindest nicht ohne neue Resolution.

Und Details dieses Resolutionsentwurfs, der im Sicherheitsrat noch nicht offiziell vorgelegt wurde, sickerten in den letzten Tagen durch, und wenn sie denn stimmen, ist die Intention klar: Die Resolution soll so formuliert sein, dass sie der Irak unter Aufrechterhaltung seiner Souveränität nicht annehmen kann.

Denn eine Sache sind die bedingungslosen Inspektionen: Die sind auch in der Intention der anderen Sicherheitsratsmitglieder. Der Text enthält aber beispielsweise auch die Forderung, dass die US-Regierung (im Text steht natürlich "jedes ständige Sicherheitsratsmitglied") jederzeit Personen in das UNO-Inspektorenteam - dessen Personal laut Resolution 1284 der UNO und nicht einzelnen Regierungen untersteht - hineinreklamieren kann.

Wenn man in Betracht zieht, dass die US-Regierung wiederholt ihr Ziel proklamiert hat, einen Regimewechsel im Irak herbeizuführen, so wird diese Forderung selbstverständlich unerfüllbar. Ähnlich ist die Idee zu bewerten, "genügend" US-Truppen sollten die Inspektoren begleiten, die frei nach Gutdünken Flug- und Fahrverbotszonen und andere Sperrzonen im Irak einrichten können. Abenteuerlich.

Kein Wunder, dass sich die anderen ständigen Sicherheitsratsmitglieder, die ja eine Resolution nicht zur Rechtfertigung, sondern zur Verhinderung eines Krieges wollen, so gegen den Text sträuben - wobei aber mittlerweile klar ist, dass allen wirklich an einer Resolution gelegen ist: Niemand zweifelt am Alleingang der USA, wenn es keine gibt. Die Wiener Einigung ist eine kleine Rückenstärkung für jene, die Inspektionen wollen, aber man sollte sie nicht überschätzen. Dass die UNO die Inspektoren in den Irak schickt und die USA dabei ruhig zuschauen, ist ein unwahrscheinliches Szenario. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.10.2002)