Kosovo
UN-Tribunal zieht Völkermord-Anklage gegen Plavsic zurück
Ex-Präsidentin bekennt sich schuldig wegen Verfolgung bosnischer Moslems und Kroaten - Keine Zeugenaussage vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal
Den Haag/Belgrad - Chefanklägerin Carla Del Ponte vom UN-
Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat am Mittwoch die
Völkermordanklage gegen die bosnisch-serbische Ex-Präsidentin Biljana
Plavsic (72) zurückgezogen. Die einstige enge Mitarbeiterin des
bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic wird jetzt allein wegen
Verfolgung, Tötung, Folter und Inhaftierung bosnischer Moslems und
bosnischer Kroaten 1991/1992 angeklagt. In einer Videoübertragung von
einem unbekannten Ort zu einer Strafkammer des Tribunals erklärte
sich Plavsic am Mittwoch für schuldig zu dieser Anklage. Plavsic war im September vorigen Jahres von der Untersuchungshaft
verschont worden. Im Dezember soll das Urteil gegen sie verkündet
werden. Bis dahin bleibt sie nach Entscheidung des Gerichts weiter an
einem geheim gehaltenen Ort in Freiheit.
Die Angeklagte ist sich nach den Worten ihres Anwalts bewusst,
dass sie immer noch mit lebenslanger Haft bestraft werden kann. Mit
der Anklage sei keine Vereinbarung über die Strafe getroffen worden,
betonten Anwalt und Anklage. Plavsic habe sich auch nicht bereit
erklärt, in einem der laufenden Kriegsverbrecher-Verfahren als Zeugin
auszusagen.
In der ursprünglichen Anklageschrift, zu der sie bei ihrem ersten
Auftreten vor dem Tribunal im Jänner 2001 mit "nicht schuldig"
reagiert hatte, waren unter anderen der jugoslawische Ex-Präsident
Slobodan Milosevic und Karadzic als Mittäter in einer kriminellen
Unternehmung genannt worden. Damit bezieht sich die Anklage auf den
Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995. Milosevic muss sich derzeit
unter der Anklage des Völkermords im Bosnienkrieg verantworten.
Karadzic und andere prominente Angeklagte befinden sich weiter auf
der Flucht. Die Vorwürfe gegen den mit Plavsic angeklagten einstigen
Parlamentspräsidenten der bosnischen Serben, Momcilo Krajisnik,
werden von ihrer Erklärung nicht berührt.
"Das ist das erste Mal, dass ein Führungspolitiker dieses Ranges
zugibt, dass Verbrechen begangen wurden und dass sie Reue für ihre
Fehler bekundet", erklärte die Sprecherin der Anklage nach der
Verhandlung. Plavsic hatte sich Anfang 2001 dem Tribunal freiwillig
gestellt, nachdem sie von der bis dahin geheimen Anklage wegen
Verbrechen im Bosnien-Konflikt erfahren hatte.
Menschenrechtlerin Kandic: Geständnis wird weitreichenden Folgen haben
Die Entscheidung der Biljana Plavsic, ihre
Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bosnien
zuzugeben, werde "weitreichende Folgen" haben, sagte die
Leiterin des Belgrader Menschenrechtsfonds, Natasa Kandic, gegenüber
dem Belgrader Sender "B-92" am Mittwoch. Das Geständnis werde sich
vor allem auf den Versöhnungsprozess in den Ländern des ehemaligen
Jugoslawien auswirken, meinte Kandic.
Keine Zeugenaussagen Plavsics vor UNO-Kriegsverbrechertribunal
Unter Berufung auf den Anwalt Plavsics meldete der Belgrader
Sender auch, dass die Ex-Präsidentin nicht in den laufenden Prozessen
vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal als Zeugin aussagen werde.
Eugene O'Sullivan erklärte auch, dass mit der Tribunalsanklage keine
Einigung über die Strafhöhe für Plavsic erzielt worden sei. Der
Urteilsspruch in der Causa Plavsic soll im Laufe der für 16. und 17.
Dezember angesetzten Verhandlung erfolgen. (APA)