Wien - Als "Meilenstein" bezeichnet der Kapitalmarktbeauftragte des Landes, Richard Schenz, die offizielle Geburtsfeier für den österreichischen Corporate-Governance-Kodex, ein Regelwerk für ordent- liche Unternehmensführung, dem sich zumindest Börsenfirmen unterwerfen sollen.Der Kodex soll internationalen Investoren einen reifen Kapitalmarkt mit lauteren Führungsgremien signalisieren und die Unternehmen selbst zum Abschied von alten, österreichischen Strukturen in ihren Aufsichtsräten und im Umgang mit Privatinvestoren anleiten. Im Geschäftsbericht soll vermerkt sein, ob die Kodexbestimmungen implementiert sind. Besserstellung für Privatinvestoren Für Privatinvestoren bringt der Kodex eine Besserstellung - alle Unternehmen ab 25 Prozent Streubesitz sollen demnach einen Privatanleger im Aufsichtsrat haben; zudem verlangt der Kodex eine umfangreichere Information von Kleinanlegern und räumt ihnen mehr Mitbestimmung ein. Wirtschaftsprüfer müssen sich künftig, bevor sie ihr Mandat erhalten, umfangreicher prüfen und ihre Unabhängigkeit nachweisen lassen. Der Kodex hält sich im Wesentlichen an das Aktienrecht und wird durch einige Punkte ergänzt, die im Geschäftsbericht erklärt werden müssen, wenn ihnen nicht entsprochen wird ("comply or explain). Dazu gibt es noch Punkte, die lediglich empfohlen werden - etwa den strittigsten Punkt des Kodex, nämlich einzelne Offenlegungen der Vorstandsgehälter. Eine oft geforderte Beschränkung der Aufsichtsratsmandate wurde mit viel Kulanz behandelt. Nichtaktive Manager dürfen bis zu acht AR-Mandate wahrnehmen; Vorstände dürfen maximal vier Aufsichtsratssitze ansam- meln, wobei ein Vorsitz doppelt zählt (Stiftungsvorstands- posten zählen gar nicht). Ursprünglich war das Limit für Nichtaktive auf sechs Mandate zurückgeschraubt worden - zahlreiche Proteste von Multifunktionären haben aber offenbar gewirkt. "Scheunentor, durch das auch der dickste Manager passt" Als "Scheunentor, durch das auch der dickste Manager passt" ordnet Schenz diese Passagen ein und betrachtet sie "als für alle lebbar". Zu möglichen Schwachstellen sagt Schenz, dass "der Kodex laufend angepasst wird". Dem Wunschprogramm zufolge sollten die Unternehmen im Wiener Prime Market schon in ihren Geschäftsberichten 2002 die neuen Benimmregeln ausweisen. Bezüglich der Umsetzung ist allerdings noch offen, wer die Unternehmen evaluieren und überprüfen soll. (kbau, DER STANDARD, Printausgabe 2.10.2002)