Bosnien-Herzegowina: Wahlen erstmals in Eigenregie
Internationale Gemeinschaft hofft auf Erfolg der Reformer - Nationale Parteien weiterhin sehr populär
Redaktion
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Wien - In Bosnien-Herzegowina finden am 5. Oktober
allgemeine Wahlen statt. Zum ersten Mal werden die Parlaments- und
Präsidentschaftswahlen unter der Regie der lokalen Behörden
abgehalten. Alle bisherigen Wahlen seit dem Kriegsende 1995 wurden
von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) organisiert. Erstmals seit Kriegsende werden die Mandate zudem
für eine Amtszeit von vier (bisher zwei) Jahren vergeben.
Weichenstellungen
Die allgemeinen Wahlen in Bosnien-Herzegowina am 5.
Oktober sind in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung. Die
Schlüsselfrage lautet, ob die nach wie vor auf nationalen Ideologien
basierenden Parteien der Bosniaken (Partei der Demokratischen
Aktion/SDA), Serben (Serbische Demokratische Partei/SDS) und Kroaten
(Kroatische Demokratische Gemeinschaft/HDZ) siegen werden.
Experten betonen, dass die folgenden Jahre entscheidend für die
Zukunft des Landes seien. Insbesondere deshalb setzt die
internationale Gemeinschaft auf reformorientierte Parteien. Obwohl
sich mittlerweile alle Parteien als reformwillig und europaorientiert
ausgeben, scheint klar, dass Europa die in Sarajewo von den
Sozialdemokraten (SDP) angeführte regierende Allianz für Wandel
favorisiert. Befürchtet wird, dass bei einem Erfolg der
nationalistischen Parteien der begonnene Reformprozess ins Stocken
geraten könnte.
Solana ruft zur Unterstützung von EU-Befürwortern auf
So rief der EU-Außenbeauftragte Javier Solana die Bevölkerung auf,
jene Kräfte zu unterstützen, die "mit Reformen Bosnien-Herzegowina an
Europa heranführen". Der internationale Bosnien-Beauftragte Paddy
Ashdown reiste durch das Land und appellierte: "Reformen statt
Verfall". Ashdown rief die Bürger auf, nicht für nationale Parteien
zu stimmen, weil die internationale Gemeinschaft diese in den
nächsten vier Jahre nicht gern als Partner sehen würde. Und
EU-Außenkommissar Chris Patten betonte: "Bosnien darf nicht isoliert
bleiben, es muss Teil der europäischen Familie werden".
Zlatko Lagumdzija, Außenminister und SDP-Vorsitzender, bestätigte,
dass er in den vergangenen Tagen mit "den einflussreichsten
Politikern der Welt" gesprochen habe und diese nicht eine "Rückkehr
in die Vergangenheit" wünschten. Trotz allem deuten Umfragen darauf
hin, dass national gesinnte Parteien als Gewinnerinnen aus den
Parlaments-Wahlen hervorgehen könnten. Eine große Zahl von Bürgern
favorisiert weiterhin Parteien der eigenen Volksgruppe. SDA, SDS und
HDZ, die den Krieg (1992-1995) entfachten, erfreuen sich weiter
großer Popularität.
Republika Srpska: Regierungspartei wird vermutlich Verluste erleiden
In der Republika Srpska ist sich die SDS der meisten Stimmen
sicher. Neueste Umfragen bescheinigen der Partei 38 Prozent. Die
regierende Partei der Demokratischen Prosperität (PDP) wird hingegen
demnach Verluste erleiden. Davon profitieren könnte die Partei der
Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) des früheren Ministerpräsidenten
Milorad Dodik, die mit etwa 25 Prozent rechnen könne.
Der PDP-Vorsitzende und Premier der Republika Srpska, Mladen
Ivanic, scheint vor allem aus diesem Grund im Wahlkampf verstärkt auf
eine Art Mischung zwischen prowestlichen und nationalistischen Kurs
zu setzen: "Die PDP ist eine nationale Partei, die Reformen
unterstützt und die Verfassungsposition der Republika Srpska schützt.
Unser Ziel ist es, europäisch zu werden und serbisch zu bleiben".
Zweikampf in der Förderation erwartet
In der Föderation zeichnet sich ein Zweikampf zwischen der SDA und
der SDP ab. Beide Parteien liegen nach Umfragen bei etwa 20 Prozent.
Dementsprechend heftig ist der Wahlkampf. Die SDP gilt jedenfalls als
einzige echte multiethnische Partei, die zwar vor allem von Moslems
unterstützt wird, sich aber auch immer größerer Popularität unter
Kroaten und Serben erfreut.
"Positiv" erscheint, dass die mit wenig Zimperlichkeit
vorgetragenen Anschuldigungen und Diffamierungen sich erstmals nicht
ausschließlich gegen Parteien und Politiker anderer Nationalitäten
richten. Dennoch scheint die Zeit der Nationalisten in
Bosnien-Herzegowina nicht vorbei zu sein. So gut wie sicher ist auch,
dass im dreiköpfigen Staatspräsidium künftig Mitglieder national
gesinnter Parteien sitzen werden. Die haushohen Favoriten für diese
Ämter sind Haris Silajdzic (SBiH), Mirko Sarovic (SDS) und Dragan
Covic (HDZ).
Stärkung der Nationalisten befürchtet
Auch wenn internationale Vertreter und Experten betonen, dass
nationale Parteien in den vergangenen Jahren positive Veränderungen
durchgemacht hätten und nicht mit jenen aus Kriegszeiten verglichen
werden könnten, befürchten sie, dass in Bosnien-Herzegowina wieder
Kräfte an die Macht kommen, die das Land in drei verschiedene
Richtungen führen.(APA)
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