Grafik: Art Forum Berlin
In diesem Jahr steht das Berliner Art Forum neuerlich im Zeichen eines "danach". Zuletzt stand die Kunstmesse noch ganz unmittelbar unter dem Eindruck der Attentate des 11. September 2001, heuer sind es zwei andere Großereignisse, die ihren Schatten auf die fünftägige Verkaufsausstellung auf dem Messegelände unweit des Funkturms im Westen Berlins werfen. Von der eben geschlagenen Bundestagswahl hat sich Guido Westerwelle anscheinend schon wieder gut erholt. Der FDP-Vorsitzende scheute auch heuer das Bad in der Menge nicht. Der Eindruck der documenta11 aber, mit ihrer ordentlich zusammengeräumten geopolitischen Ästhetik und ihrer idealistischen Anmutung, lässt das geschäftige Treiben profan aussehen.

Die Kunst zeigt sich in Berlin wieder von ihrer alltäglichen Seite: ideenreich, angebotsorientiert, medienversiert, dekorativ. Die Kasseler Höhlenwanderung durch fünf Kontinente ist zu Ende. Beim Art Forum steht alles im Licht, selbst die Videokunst ist aus dem "black cube" an die weiße Wand übersiedelt, wo sie nun mit den Gemälden um den Vorrang im Reich des Visuellen wetteifert. 152 Galerien aus 25 Ländern stellen in diesem Jahr aus, Osteuropa ist sehr stark vertreten. Und obwohl die deutsche Hauptstadt sich in einer so desaströsen finanziellen Lage befindet, dass von einem inspirierenden Umfeld nicht die Rede sein kann, war die Stimmung zur Eröffnung sehr gut.

Der Einstieg in ein Sammlerdasein ist mit durchaus überschaubaren Summen möglich. Bei König, Berlin, stell Michaela Meise sechs kleine Aquarellzeichnungen aus, in denen sie das Modethema Terrorismus aufgreift: Ihr Zyklus Gudrun Ensslin sollte zusammenbleiben, für sechsmal 450 Euro wäre dies möglich. Daneben hängen sechs kleine Zeichnungen, in die Balenciaga-Modelle hineinaquarelliert sind. Sie sind einzeln zu haben. Zwischen diesen hübschen Miniaturen und den monumentalen Bildern von Daniel Richter (Contemporary Fine Arts, Berlin, bietet Dogplanet um 60.000 Euro) spielt sich das Comeback der Malerei ab, für das beim Art Forum auch Neo Rauch mit einem neuen Bild um 75.000 Euro und Jonathan Meese mit einer vergleichweise billigen Lolita für 1000jährige um 12.000 Euro einstehen. Die meisten dieser Gemälde waren am Eröffnungstag schon verkauft.

Das interessanteste Novum auf dieser Messe, auf der die Kunstwelt einen Schritt zurück zu traditionellen Kontexten machte, waren aber die allgegenwärtigen Flat-Screens, auf denen Videobilder zu sehen sind, die sich gelegentlich nur ganz unmerklich verändern. Diese Digitalgemälde changieren zwischen Kontemplation und Avantgardefilm. Das beste Beispiel stammt denn auch von dem Experimentalfilmemacher Matthias Müller: Eine Hauswand, zwei Fenster, eine Frau dahinter, und ein Vorhang, der leicht im Wind fächelt. Die hypnotische Arbeit liegt in einer Auflage von fünf vor, ein Exemplar ist noch zu haben.

Aus der Konformität der Selbstpräsentationen der Galerien heben sich vor allem die Berliner Chouakri Brahms heraus, die gegen die Markttendenz eine Videolounge mit Arbeiten von Sylvie Fleury, Isabel Heimerdinger u.a. errichtet hatten. Wenn es Fazit gibt, dann ist es dieses: Der Medienmix wird wieder konventioneller, die große Geste wird auch monumental bezahlt, dazwischen ist wie immer alles möglich. (Bert Rebhandl / DER STANDARD, Printausgabe vom 28./29.9.2002)