Kommission wollte eigentlich zu mehr Sparsamkeit mahnen - Stabilitätsanhänger fürchteten um den Wert des Euro
Redaktion
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Berlin/Wien - Eigentlich war alles ganz anders gemeint:
Doch von der Ermahnung zum Sparen, die EU-Finanzkommissar Pedro
Solbes in sein Papier zum Stabilitätspakt hineingeschrieben hatte,
wollte am Mittwoch kaum noch jemand etwas wissen. Dagegen sorgte die
Nachricht für helle Aufregung, die EU-Kommission wolle das
Defizitziel um zwei Jahre auf 2006 verschieben und den säumigen
Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien damit mehr Zeit für
die Sanierung ihrer Haushalte geben. Während die Regierungen in Rom
und Paris jubilierten, rauften sich Stabilitätsanhänger die Haare und
fürchteten um den Wert des Euro.
Das deutsche Bundesfinanzministerium konnte den Wirbel nicht
nachvollziehen: Es bleibe bei den bisherigen Vereinbarungen, sagte
ein Sprecher. Doch als Bekräftigung der bestehenden Strategie wollte
sonst kaum jemand das großzügig verteilte "Geheimpapier" von Solbes
verstehen. Hocherfreut würdigte der französische Premier Jean-Pierre
Raffarin "den Realitätssinn der Kommission" und die Verschiebung des
Zieldatums für ausgeglichene Haushalte auf 2006. Auch der
italienische Finanzminister Giulio Tremonti erklärte sich sogleich
"völlig einverstanden" mit den Anmerkungen aus Brüssel.
"So kommen wir nie ans Ziel
Wenig begeistert reagierten dagegen die Länder, die bei ihren
Bemühungen um ein Null-Defizit schon gut vorangekommen sind. "Auf
diese Weise kommen wir nie ans Ziel", sagte ein Sprecher des
niederländischen Finanzministeriums. Noch deutlichere Worte wählte
der spanische Finanzminister Rodrigo Rato: Die Strategie der
Kommission sei schlicht "falsch".
Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) hat sich am
Dienstagabend dezidiert gegen eine Aufweichung des
EU-Stabilitätspaktes ausgesprochen. "Wenn man das jetzt auf 2006
verschieben würde, wäre das ein falsches Signal", sagte Grasser
gegenüber der APA. Auch der Gouverneur der Oesterreichischen
Nationalbank (OeNB), EZB-Ratsmitglied Klaus Liebscher, und
Finanzstaatssekretär Alfred Finz (V) haben sich am Mittwoch ebenfalls
gegen eine Aufweichung des Stabilitätspakts ausgesprochen.
Experten-Reaktionen geteilt
Auch die Reaktion von Experten ist unterschiedlich. Der frühere
Wirtschaftsweise Rolf Peffekoven wertet die Kommissionsvorschläge als
Aufweichung der bisherigen Vereinbarungen und fürchtet um die
Stabilität des Euro. Für den Präsidenten des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, seien die Ziele ohnehin
schon lange nicht mehr erreichbar gewesen. Zimmermann sieht die
Chance, die Sparbemühungen über einen längeren Zeitraum fortzusetzen.
Eigentlich sollten die Haushalte der Euro-Staaten schon vor zwei
Jahren kein großes Minus mehr aufweisen. Dies gelang nach Angaben der
Kommission nur acht der zwölf Länder, die übrigen vier haben es bis
heute nicht geschafft. Für sie wurde daher das neue Datum 2006 in
Aussicht gestellt. Zumindest Frankreich schließt aber bereits nicht
aus, auch bis dahin nicht die Kurve zu bekommen, wenn die Konjunktur
nicht mitspielt.
Solbes baute deshalb schon einmal vor: "Die Fristen können nicht
ständig hinausgeschoben werden." Um den Pakt zu retten, will er die
Wackelkandidaten nun stärker an die Kandare nehmen: Er schlägt vor,
eine jährliche Defizitreduktion von mindestens 0,5 Prozent
vorzuschreiben und die Euro-Staaten bei Strafe zu verpflichten, in
guten Zeiten mehr zu sparen. (APA)
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