Deutschland
Knackpunkte der rot-grünen Koalitions-Verhandlungen
Berlin - In Berlin beginnen am Mittwoch die
Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen. Die Parteispitzen
zeigten sich zuvor zuversichtlich, die Verhandlungen binnen drei
Wochen abschließen zu können - allerdings sind bis dahin noch einige
Streitpunkte auszuräumen. Im Kern geht es um den richtigen Weg zur
Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und der Konsolidierung des
Haushaltes. Besonders umstritten sind in diesem Zusammenhang die
Förderung des Niedriglohnsektors sowie die Ökosteuer. 325-EURO-GESETZ: Vor zwei Jahren hatte die Bundesregierung die
Sozialversicherungspflicht von steuerfreien 630-Mark-Jobs
(325-Euro-Jobs) eingeführt und die vom Arbeitgeber zu entrichtende
Pauschalsteuer von 20 Prozent im Gegenzug gestrichen. Das
Hartz-Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sieht vor, die so
genannte Geringfügigkeitsgrenze von 325 auf 500 Euro anzuheben. In
diesem Punkt sind sich Grüne und SPD einig.
Uneins sind die künftigen Regierungspartner aber in der Frage, für
welchen Bereich dies gelten soll: Während die SPD die Anhebung nur
auf haushaltsnahe Dienstleistungen (Putzhilfe, Kinderbetreuung)
beschränken will, wollen die Grünen diese steuerfreien Minijobs auf
die gesamte Wirtschaft ausweiten.
Zudem greifen die Grünen den Hartz-Vorschlag auf, die
Sozialversicherungspflicht für den Arbeitnehmer abzuschaffen und
durch eine vom Arbeitgeber zu entrichtende
Sozialversicherungspauschale in Höhe von zehn Prozent zu ersetzen.
Das würde die Minijobber zusätzlich entlasten. Die SPD fürchtet in
diesem Fall aber noch erheblich mehr Steuerausfälle und Löcher in den
Sozialkassen.
ÖKOSTEUER: Bisher gilt, dass die fünfte und letzte Stufe der
Ökosteuer am 1. Jänner 2003 in Kraft tritt. Die Erlöse von dann
jährlich 17,2 Milliarden Euro fließen in die Rentenkasse zur
Stabilisierung der Beiträge. Die SPD will es dabei bewenden lassen,
auch was Ausnahmeregelungen - das produzierende Gewerbe zahlt nur 20
Prozent der Ökosteuer - anbelangt.
Die Grünen wollen diese Ausnahmeregelung hingegen schrittweise
abschaffen und darüber hinaus die Ökosteuer "fortentwickeln" sowie
EU-weit harmonisieren. Teile der Grünen streben dabei eine weitere
jährliche Erhöhung an, andere beschränken sich auf die Forderung, die
Erlöse künftig nicht mehr nur für die Rente sondern auch zur
Förderung ökologischer Projekte - etwa dem Ausbau des Schienennetzes
- zu verwenden.
VERKEHR: Die Sozialdemokraten setzen weiter auf die
Milliardenprojekte Transrapid in Bayern und Metrorapid in
Nordhrein-Westfalen, die Grünen verwerfen sie hingegen als unsinnig.
Zudem fordern die Grünen, den Mehrwertsteuersatz auf Bahnfahrscheine
um die Hälfte zu senken. Auch wollen sie zusätzliche Mittel aus der
ab 2003 geltenden Lkw-Maut zur Förderung des Schienennetzes.
EUROPAMINISTERIUM: Schröder hatte angekündigt, die
Europa-Abteilung des Auswärtigen Amtes solle im Kanzleramt
angesiedelt werden. Alternativ soll ein eigenes Europaministerium
geschaffen werden. Der Wahlsieger und Außenminister Joschka Fischer
(Grüne) wird sich dieses Politikfeld jedoch nicht nehmen lassen.
BUNDESWEHR: Die Grünen wollen die Wehrpflicht abschaffen, während
SPD-Verteidigungsminister Peter Struck deren Beibehaltung in den
Koalitionsvertrag hineinschreiben will. Für die Abschaffung der
Wehrpflicht wäre eine Verfassungsänderung nötig, für die es im
Bundestag aber wegen der ablehnenden Haltung von SPD und Union keine
Zwei-Drittel-Mehrheit geben würde. Die Grünen wollen eine Berufsarmee
einführen und statt Zivildienst soziale Dienstleistungsjobs schaffen. (APA)