Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters/Vincent Kessler
So richtig schien sich Joschka Fischer nicht über den Wahlsieg von Rot-Grün zu freuen. Die düstere Miene, die der alte und neue Außenminister aufsetzte, habe mit "den Aufgaben, die vor mir liegen", zu tun, so seine Begründung. Es liegt vor allem am Grünen-Politiker, die Beziehungen zu den USA wieder zu verbessern. Denn die Eintrübung ist der außenpolitische Preis für den innenpolitischen Erfolg. "Die nächsten Schritte werden sein, dass die Irritationen ausgeräumt werden", sagte Fischer und telefonierte umgehend mit seinem US-Amtskollegen Colin Powell. Aber auch Schröder zeigte sich um Schadensbegrenzung bemüht. Am Montag kündigte er an: "Das wird sich bald auflösen, und ich werde meinen Beitrag dazu leisten." Am Dienstag lehnte er ab, Fragen zu den Themen USA und Irak zu beantworten. Auch im Kanzleramt gab man sich etwas betreten, nachdem die sonst üblichen Glückwünsche zum Wahlsieg aus Washington ausgeblieben waren. Deshalb setzte Schröder am Dienstagfrüh für den Abend überraschend eine Reise nach London zum britischen Premierminister Tony Blair an. Der Parteifreund, der über einen guten Draht zu US-Präsident George Bush verfügt, soll eine Brücke nach Washington schlagen. "Tony und Joschka sollen es wieder richten", meinte das Kanzleramt. Fischer hat im Wahlkampf viel diplomatischere Töne angeschlagen. Er begründete die Ablehnung eines Militärschlags stets mit Sorge um Stabilität im Nahen Osten. Das nimmt man ihm in Washington ab, denn für die Vermittlungsarbeit in dieser Region wird er von den USA und auch von den Israelis geschätzt. Anders als der Kanzler, der in seinen Wahlkampfreden davon sprach, dass nicht alles gut sei, "was von dort zu uns herüberschwappt", und die USA als Umweltsünder brandmarkte, hielt sich der Vizekanzler mit solchen Anti-Amerika-Attacken zurück. Hilfe durch Zauberwort

Aber auch Fischers grüne Partei würde im Bundestag einer Entsendung deutscher Soldaten in den Irak nicht zustimmen. Auch in der SPD wäre wohl kaum eine Mehrheit für diesen Kurswechsel zu bekommen. Das Zauberwort, das derzeit in Berlin kursiert, heißt Kompensation. Am Dienstag bot bei der Nato-Tagung in Warschau Verteidigungsminister Peter Struck seinem US-Kollegen Donald Rumsfeld an, gemeinsam mit den Niederlanden ab 1. Jänner die Führung der Afghanistan-Schutztruppe zu übernehmen, um den Einsatz im Kampf gegen den Terror zu demonstrieren. Auch eine Entlastung der Amerikaner und Briten bei den Missionen am Balkan wird geprüft. Somit könnte Berlin die Weigerung, an einem Irakfeldzug mitzumachen, aufrechterhalten, sich aber doch als treuer Bündnispartner der USA präsentieren. So könnten beide Seiten ihr Gesicht wahren. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.9.2002)