Asyl, Pressefreiheit und Mammon: "Mangels Vertrauensbasis" kein Geld für Asylarbeiter
Redaktion
,
Wien - Herr A. ist ein Beamter
des Asylamtes Wien, dem
selbst böswillige Kritiker keine übertriebene Milde vorwerfen. widerst@nd-MUND ist
eine E-Mail-Tageszeitung, die
aus der Protestbewegung gegen Schwarz-Blau entstanden
ist, ehrenamtliche "Tagesredakteure" stellen Beiträge aus
Einsendungen von jedermann
zusammen. Michael Genner
ist Geschäftsführer von Asyl
in Not und bekämpft Beamte
wie Herrn A. so gerne wie sie
ihn. Und das Innenministerium vergibt auch EU-Fördergelder aus dem Europäischen
Flüchtlingsfonds (EFF), oder
eben nicht.
Im Frühsommer erhielt Asyl
in Not vom Innenministerium
namens des EFF eine Förderzusage über 20.000 Euro. Eingetroffen ist das Geld nie: Sektionschef Wolf Szymanski
blockiert die Auszahlung. Ursache: Das Bundesasylamt
machte im Sommer im Internet eine Entdeckung - einen
Gennerschen Rundbrief aus
dem Dezember 2000. Genner
attackierte darin den Beamten
A., unter ausführlicher Schilderung mehrerer Asylfälle, in
denen A. negativ entschieden
hatte. (Der Standard berichtete über zwei davon, Frauen,
die in türkischer beziehungsweise irakischer Haft Vergewaltigungen ausgesetzt waren.) Genner schloss: Der Beamte sei "ein Schreibtischtäter, wie es viele gab in der blutigen Geschichte dieses Landes". Der Text wurde am
Christtag 2000 von der Internetzeitung übernommen, über
deren Onlinearchiv ist er bis
heute frei abrufbar.
Auf die späte amtliche Entdeckung der "Gleichsetzung
eines Beamten mit einem Nazischergen" (Szymanski) folgte eine Anzeige gegen Genner
und eine "Aktion scharf" gegen - Willi Resetarits’ Integrationshaus. Dort nämlich ist die
Frau beschäftigt, die an jenem 25. Dezember 2000 bei widerst@nd-MUND als Tagesredakteurin fungierte.
Szymanski stellte deshalb
nach eigenen Worten "die Zusammenarbeit mit dem Integrationshaus insgesamt zur
Diskussion". Mittlerweile sei
man aber beinahe wieder gut
Freund. Nicht so mit Asyl in
Not. Szymanski wünscht von
Genner die Entfernung des
strittigen Textes aus dem Web,
worauf dieser aber keinen Einfluss hat - und auch nicht haben will: Das sei eine Frage der
Pressefreiheit.
Szymanski zum Standard:
"Die Pressefreiheit schaut anders aus, wenn das gestern
war - oder wenn’s zwei Jahre
alt ist." Genner teilt obendrein
mit, Szymanski habe sich bei
ihm "beklagt, dass wir nie
Herrn Strasser angegriffen
hätten, sondern immer nur rote Minister." Szymanski, tief
getroffen: "Ich ziehe daraus
meine Lehren. Mit Genner rede ich nie wieder ein Wort."
Mehrere Anwälte haben
dem Verein gute Chancen attestiert, die versprochene Förderung einzuklagen; was auch
geschehen wird, wenn das
Ministerium nicht umgehend
zahlt. Szymanski will jedoch
abwarten, was die Anzeige gegen Genner erbringt. (Robert Schlesinger, DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2002)
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