Energiemarkt
Hoher Ölpreis schürt Inflationsangst
Irak-Unsicherheit: Ölpreis erstmals seit Februar 2001 über 31-Dollar-Marke
Wien - In den Vorstandsetagen
der Ölkonzerne versteht man
die Welt nicht mehr: Obwohl
keine Verknappung droht und
genug Öl auf den Märkten ist,
erklimmt der Rohölpreis täglich neue Rekordstände. Am
Dienstag kostete ein Fass (je
159 Liter) zur Lieferung im
November deutlich über 31
Dollar, das ist der höchste
Stand seit Februar 2001.Unter Notenbankern wächst
nun immer mehr die Sorge,
dass der Höhenflug der Ölpreise massiv auf die Verbraucherpreise durchschlagen könnte. Der Anstieg der
Ölpreise infolge der jüngsten
Spannungen im Nahen Osten
sei ein ernstes Risiko für die
Preisstabilität, warnt Ernst
Welteke, der Präsident der
Deutschen Bundesbank.
Der Inflationsdruck könnte
drastische Auswirkungen für
die kränkelnde Konjunktur
haben. Steigt die Inflation weiter, werden die Notenbanken
nicht umhin können, die Leitzinsen anzuheben. Das würde
den Unternehmen höhere Kapitalkosten bescheren. Dazu
kommen noch höhere Ausgaben für Energie. Kurz, der
hohe Ölpreis könnte zur zweifachen Giftpille für den erhofften Aufschwung werden.
Konjunkturelle Risiken
Auch Markus Marterbauer
vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sieht konjunkturelle Risiken, sollte der Ölpreis zwei bis drei Monate
über 30 Dollar verharren:
"Zwar gibt es in Europa derzeit
alles andere als eine Inflationsgefahr, aber wenn ein starker Ölpreisanstieg dazukommt, wird es gefährlich für
die Konjunktur."
Von der Rekordjagd des Ölpreises profitieren die Ölkonzerne. Für die OMV schlägt
sich jeder Dollar beim Ergebnis mit 20 Mio. Euro zu Buche.
Trotzdem geht OMV-Explorationschef Helmut Langanger
hart mit übernervösen Ölhändlern ins Gericht. "Die
Kriegsprämie ist mittlerweile
auf sieben bis acht Dollar angestiegen - das ist aber bloß
heiße Luft, von einem drohenden Versorgungsengpass
kann keine Rede sein."
Er verweist auf die Erfahrungen aus dem Golfkrieg des
von 1991, als der Ölpreis unmittelbar nach dem US-Angriff von 40 Dollar um rund elf
Dollar nach unten gerasselt
ist. Gegen Verknappungsängste spreche auch die Tatsache,
dass die Opec bis zu sechs
Mio. Fass an nicht ausgenutzten Förderkapazitäten habe,
also einen Ausfall des Irak locker auffangen könnte.
Die geringe Nachfrage bei
gleichzeitig genug Angebot
(getrieben von höherer Förderung in Nicht-Opec-Staaten)
würde nach wie vor für einen
Preis von kaum über 20 Dollar
sprechen, so die Branche.
OMV-Chef rechnet mit Ausweitung der Förderung
Der oberste OMV-Bohrchef
geht davon aus, dass die Opec
die Förderung ausweitet,
wenn der Preis über der Marke
von 30 Dollar verharrt. Dann
könnte das Förderkartell dem
Druck der Industrieländer, die
Hähne aufzudrehen, wohl
nicht mehr standhalten. Noch
ist offen, ob die Opec ihre eigenen Preisformeln ernst
nimmt. Die Organisation will
den Preis für das von ihr geförderte Öl zwischen 22 und
28 Dollar halten. Falls der
Preis dieses Band 20 Tage lang
überschreitet, soll die Fördermenge um eine halbe Million
Fass erhöht werden. Gegenüber der europäischen Leitsorte Brent ist Opec-Öl wegen
Abschlägen für Qualität und
Transport um rund zwei Dollar billiger.
Während Opec-Präsident
Rilwanu Lukman dazu neigt,
die Formel bis zu nächsten
Treffen des Förderklubs im
Dezember in Wien nicht anzuwenden, pocht Libyen auf
Einhaltung der 20-Tage-Regel.
Unabhängig davon dürften
die jüngsten Zahlen aus den
USA die Händler noch nervöser machen: Die Lagerbestände dürften diese Woche noch
weiter sinken, nachdem sie
schon in der Vorwoche mit
knapp 288 Mio. Fass auf den
tiefsten Stand seit Anfang
März 2001 gefallen waren. In den vergangenen fünfeinhalb Monaten
gingen die US-Reserven um 44
Mio. Fass zurück. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD, Printausgabe 25.9.2002)