Wirtschaft
Österreich: Höchste öffentliche Gesundheitsquote der Welt
Private Krankenversicherung stagnieren da Staat Leistungen beliebig bezahlt
St. Wolfgang - Der Markt für Krankenversicherungen in
Österreich stagniert. Ein Grund dafür ist nach Ansicht der Expertin
für Gesundheitswesen am Industriewissenschaftlichen Institut an der
WU-Wien, Eva Pichler, der geringe Reformeifer im öffentlichen
Gesundheitswesen, das nach wie vor zu einem der besten aber auch
teuersten der Welt zählt. Bei der öffentlichen Gesundheitsquote, den
öffentliche Gesundheitsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) liege Österreich mit 8,6 Prozent sogar an 1. Stelle weltweit,
so Pichler, nicht zuletzt weil der öffentliche Sektor Leistungen nach
wie vor fast uneingeschränkt übernimmt. Fazit: Die Nachfrage nach
privaten Krankenversicherungen stagniert. "Österreich gehört zu den Ländern, welche bisher die geringsten
Reformen durchgeführt haben", so Pichler bei den diesjährigen St.
Wolfganger Gesprächen des Versicherungsverbandes. So lange der
öffentliche Sektor Leistungen beliebig bezahle, gebe es wenig Anreize
für private Zusatzversicherungen.
2,57 Millionen private Krankenversicherungsverträge
In Österreich gibt es etwa 2,57 Millionen private
Krankenversicherungsverträge, 1,03 Millionen davon betreffen eine
Zusatzversicherung für Krankenhausaufenthalte. Die Spitalskosten
machen auch den Löwenanteil der Leistung der privaten
Krankenversicherer aus. Aktuelle Zahlen für das ersten Halbjahr 2002
liegen wegen Änderungen in der Datenerfassung nicht vor, 2001
betrugen die Prämieneinnahmen der privaten Krankenversicherer in
Österreich 1,21 Mrd. Euro. Die Leistungen beliefen sich auf 913,12
Mill. Euro, wobei auf den Ersatz von Krankenhauskosten mit 693,3
Mill. Euro, sowie das Spitalsgeld mit 97,16 Mill. Euro die größten
Kostenfaktoren darstellen.
Langfristig müssten die ambulanten Behandlungen noch stärker
forciert werden, betonte auch der Präsident des
Versicherungsverbandes und Chef der Generali Vienna, Dietrich Karner.
Die Einsparungen durch kürzere Spitalsaufenthalte seien zuletzt durch
die gestiegenen Zahl der Spitalsaufenthalte wieder voll kompensiert
worden.
Wettbewerbsverzerrung
Bei den Krankenhauskosten ortet Expertin Pichler auch die größte
Wettbewerbsverzerrung, weil hier die Leistungen des öffentlichen
Gesundheitswesen nach oben gedeckelt sind und die fehlenden Summen
aus Steuern finanziert werden. Laut IWI-Studie werden bereits 70
Prozent der Kosten des stationären Bereichs aus Steuern bezahlt.
Tendenz: Steigend.
Die "Einsparungen", die die privaten Krankenversicherer dem
österreichischen Gesundheitssystem durch ihre erweiterten Leistungen,
die Unterbringung von Privatpatienten in privaten aber auch
öffentlichen Spitälern sowie Ärztehonorare bringen, schätzt Pichler
mit rund 510 Mill. Euro.
Öffentliches Gesundheitssystem unfinanzierbar
Pichler geht mittelfristig auch in Österreich wieder von
steigender Nachfrage nach privaten Krankenversicherungen aus, da die
Unfinanzierbarkeit des öffentlichen Gesundheitssystems immer
deutlicher werde. Sie erwartet, dass der Anteil der Menschen, die
ausschließlich privatversichert sind, wie derzeit hierzulande nur bei
Freiberuflern möglich, zunehmen wird. Neue Geschäftsfelder für
"Private" könnten auch der wachsende internationale
Gesundheitstourismus und vor allem der Wellness-Boom eröffnen.
In Deutschland wo knapp ein Fünftel der Bevölkerung über eine
Private Krankenversicherung verfügt, die Hälfte davon (vor allem
Beamte und Besserverdiener) ausschließlich, kämpfen die privaten
Krankenversicherungen derzeit mit steigenden Ausgaben bei
gleichzeitiger negativer demographischer Entwicklung und weniger
"Stornogewinnen". Daher werden die Prämien mit Jahresbeginn 2003
voraussichtlich steigen, sagte Volker Leienbach vom Privaten
Krankenversicherungsverband in Köln.
In Österreich haben die Verhandlungen über die Kostenersätze
privater Krankenversicherungen noch gar nicht begonnen. Der
Vorsitzende der Sektion Krankenversicherung im Versicherungsverband,
Merkur-Chef Werner Reimelt, rechnet aber zu Jahresbeginn ebenfalls
mit Anpassungen bei den Prämien.(APA)