München/Berlin - Der Siemens-Konzern baut Stellen zu Tausenden ab, um Leo Kirch ist die Medien-Wunderwelt zusammen gebrochen, die Versicherungsfirmen haben Sorgen mit den Renditen für Lebensversicherungen: Selbst an der Boomtown München in Edmund Stoibers Musterland Bayern geht die Krise nicht spurlos vorbei. Wegen schwacher Steuereinnahmen musste die Stadt eine Haushaltssperre verhängen. Andere Regionen trifft es noch härter.

Was Bundeskanzler Gerhard Schröder im Wahlkampf immer zuerst als Folge der schleppenden Weltkonjunktur darstellte, hat nach Meinung vieler Wirtschaftsfachleute auch mit strukturellen Problemen der Bundesrepublik zu tun: Deutschland sei nicht wettbewerbsfähig.

Fest steht, dass die größte Volkswirtschaft in der EU beim Wirtschaftswachstum in Europa die rote Laterne hält. Nur 0,75 Prozent Zunahme des Bruttosozialprodukts erwartet die Regierung Schröder für heuer. 2003 sollen es 2,5 Prozent sein - die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sehen nur zwei Prozent.

Als großes Hindernis machen viele den überregulierten Arbeitsmarkt aus. Über vier Millionen Menschen suchten im August einen Job. Schröder hatte im Wahlkampf 1998 versprochen, auf 3,5 Millionen herunter zu kommen. Ähnliche Ziele formulierte nun auch Stoiber: Er hält eine Arbeitslosenquote von sieben Prozent - im Vergleich zu den aktuellen 9,6 Prozent - innerhalb der nächsten vier Jahre für erreichbar.

Die Regierung Schröder hatte noch vor zwei Wochen einen Versuch gemacht, hier Schlagkraft zu beweisen: Sie setzte einige der Vorschläge der so genannten Hartz-Kommission um, die zu Beginn diesen Jahres noch rasch installiert worden war. Die Arbeitsämter sollen nun besser vermitteln und selbst Arbeitskräfte ausleihen. Wer Leute einstellt, soll Investionskredite bekommen, und wer lieber selbständig als arbeitslos sein möchte, erhält Förderungen.

Wegen der hohen Lohnnebenkosten wird allerdings auch die bisher verschleppte Reform des Gesundheitswesens in der neuen Legislaturperiode unumgänglich werden. Ansonsten würde die Krankenkassenbeiträge, die auf den Gehältern lasten, weiter erhöht werden. Um zumindest bei den Pensionen die Beiträge stabil zu halten, hatten die rotgrünen Koalitionäre zwei Schritte vorgenommen, von denen einer nun wieder zur Disposition steht.

Sicher ist, dass die so genannte Riester-Rente, die eine individuelle, kapitalgedeckte Alterssicherung fördern soll, beibehalten wird. Mit dem bisherigen Pensionssystem kann Deutschland - wie alle anderen EU-Länder auch - der Überalterung der Gesellschaft nicht mehr Herr werden.

Fraglich ist aber, ob die Ökosteuer das Jahr 2002 überleben wird, aus deren Erträgen die Rentenkassen subventioniert werden. Bundeskanzler Schröder, war nie ein Freund dieser Steuer und die CDU/CSU agitierte in den letzten vier Jahren gegen sie.

Haushaltssorgen

Die deutsche Haushaltslage dürft schon in den nächsten Tagen in einem schlechten Licht stehen: Das Bundesfinanzministerium muss die seit 1. September überfällige Prognose für das Deutschlands Budgetdefizit 2002 vorlegen. Finanzminister Hans Eichel betont zwar, die Stabilitätspakts-Grenze von drei Prozent werde unterschritten - bisher ist von 2,6 Prozent die Rede. Doch in den anderen EU-Ländern und in Brüssel fragt man sich, warum Berlin dann die Zahlen bis nach der Wahl zurückhält. (jwo/DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2002)