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Wien - Welchen Sinn macht ein mit dem eigenen Minibildschirm-Antlitz versehener Fremdenstab , der Einwanderern wie Einheimischen zu "Distanz und Wahrnehmungsveränderung" verhelfen soll? Oder ein Poliscar , das Obdachlosen funktionellen, fahrbaren Unterschlupf bietet? Diese beiden Vorschläge von Krzystof Wodiczko sind gar nichts gegen Viktor Papaneks Entwürfe in den 70er-Jahren, als er wabenförmige, fettzellenartige Einheiten als "submarine Gebäude" oder im Weltall um die Erde schwebend imaginierte.

Letzteres entstammt dem vom Moderne-Rechercheur Florian Pumhösl in der Generali Foundation thematisierten Buch Papaneks, Design for the real world (1972), in einer Abwandlung titelgebend für die neue Ausstellung. Die sich durch ihren gesellschaftskritischen Ansatz wie auch durch den Bezug auf Positionen der 60er/70er perfekt ins Foundation-Programm fügende Präsentation stellt vier Kunstschaffende exemplarisch vor, mit Papaneks universalistisch-interdisziplinärem Designermodell als Leitbild.

Sie agieren zwischen dem, was Künstlern als weltfremdes Elfenbeinturm-Dasein einerseits, andererseits als laienhafte, naive Einmischung in fremde Angelegenheiten vorgeworfen wird. Ideen dieser Gesellschaftsingenieure sind oft belächelt worden, als utopisch abgewertet. Vieles könne aber durchaus als Modell gelten, sagt Kuratorin Sabine Breitwieser, die vielen Arbeiten "Agitprop-Charakter" zuspricht - auch wenn sie kurz nach ihrer Entstehung flott im Kunstbetrieb landeten.

Es ist ein Zeichen der Zeit, dass gerade diese Tendenzen in der Kunst mehr Fuß fassen. Die Slowenin Marjetica Potrc (Jahrgang '53), in der Schau u. a. mit Rekonstruktionen von Vorstädte- und Slum-"Architektur" und witzigen Bildtafeln zum Thema vertreten, sieht heute dasselbe Interesse der Kunstschaffenden an der "wirklichen Welt" wie in den Siebzigern. Nur: Die Praxis sei heute anders. Sie zeigt u. a. Mobiltelefon und Radio mit Handkurbelantrieb oder ein einfaches Gerät zum Entsalzen von Wasser.

Der gebürtige Warschauer Krzystof Wodiczko, heute Lehrender am MIT Cambridge, entwarf eine tragbare Projektionskamera-Kopfhalterung. Die aufgenommenen Gesichtsbilder projizierte er damit live auf das runde Kulturzentrum der mexikanischen Grenzstadt Tijuana und machte dadurch Erzählungen von acht Frauen über Polizeigewalt, Unterdrückung, Vergewaltigung öffentlich.

Den wohl lebendigsten wie spektakulärsten Beitrag lieferte die junge österreichische Architektin Azra Akamija, die nach dem Krieg in ihrem Heimatland Bosnien eine im Waffenstillstands-Niemands- land in Selbstorganisation auf 30.000 Bewohner angewachsene Schwarzmarktsiedlung analysierte. Der Arizona-Markt an der von amerikanischen Sfor-Truppen angelegten Arizona-Road ist eine Hölle auf Erden, so eine UN-Beobachterin in Bezug auf Prostitution und "United Colors of Bosnia".

Pumhösl baut u. a. eine Idee Victor Papaneks nach: "Man könnte Wohnwürfel konstruieren", schrieb der Buchautor, "die als Schlaf-, Arbeits-, und Sitzgelegenheiten eine befriedigende Einheit bieten". Eine Idee, die heuer bei Ikea als Cube propagiert wird. (Doris Krumpl/DER STANDARD; Printausgabe, 21.09.2002)