Egal, wer am Sonntag die Mehrheit im Bundestag gewinnt: Für viele Gesetze braucht er sie auch im Bundesrat, der erheblich einflussreicher ist als sein österreichisches Pendant. Edmund Stoiber wäre daher ein mächtigerer Kanzler als Gerhard Schröder. Die unionsgeführten Länder haben im Bundesrat nämlich die Mehrheit.

Mit 35 der insgesamt 69 Bundesratsstimmen können die acht CDU-Regionen jeden Gesetzentwurf Schröders stoppen. Ein SPD-Kanzler kann nur auf sechs Länder und deren 27 Stimmen einigermaßen bauen. In Brandenburg und Bremen regieren SPD und CDU gemeinsam.

Zuletzt zeigte der Streit um das Zuwanderungsgesetz, wie wichtig eine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat ist. Die Reform war nämlich ein so genanntes "Zustimmungsgesetz". Der Zustimmung bedürfen in Deutschland alle Normen, die das Finanzaufkommen oder die Verwaltungshoheit der Länder betreffen.

Im März, als das Zuwanderungsgesetz der Berliner Länderkammer vorlag, fehlte der rot-grünen Regierungskoalition nur ein Land für die Mehrheit. Am Ende stimmte der SPD-Ministerpräsident Brandenburgs gegen den Willen seines CDU-Koalitionspartners mit Ja - und beschwor damit eine mittlere Verfassungskrise herauf, die nun beim Bundesverfassungsgericht zur Beurteilung liegt.

Seit dem CDU-FDP-Wahlsieg in Sachsen-Anhalt im April steht die CDU-geführte Mehrheit in der Länderkammer allerdings so fest, dass ein Kanzler Schröder nicht mehr darauf hoffen kann, die Front seiner Gegner zu spalten.

Reformvorschlag

Es war allerdings Stoiber, der im Wahlkampf nun eine Entmachtung des Bundesrats vorgeschlagen hat. Der Föderalismus in Deutschland habe sich negativ entwickelt, meint der bayerische Ministerpräsident, für den das Gebäude des ehemaligen preußischen Landtags immer die große bundespolitische Bühne bot.

Trotzdem ist aus dem föderalistischen Bayern Stoiber nicht plötzlich ein Zentralist geworden: Er möchte statt des Bundesrats eben die Hauptstädte der Länder stärken.(DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.9.2002)