Kurt Kauper:
Cary Grant #2
2001-2002

Foto: Kunsthalle

Neo Rauch, ebenfalls in der Kunsthalle zu sehen, findet an seinen plakativen Konglomeraten aus Alltags- wie Kulturwelt eines schwierig: Titel zu finden. Dieses heißt: "Grat" (2000, Ausschnitt)

Foto: Kunsthalle
Wien - Martin Kippenberger kam bekanntlich "durch die Pubertät zum Erfolg". Er weigerte sich, wem oder was auch immer anzugehören. "Ich hab' kein Alibi, höchstens mal ein Bier, hör auf zu mosern, so geht's nicht nur dir." Seine Generalabsage an die Zugehörigkeit traf all jene, deren diszipliniertes alltägliches Tun und Handeln darauf ausgelegt war, zur Meisterschaft zu gelangen, dort eine Disziplin zu gewinnen. Also fast alle. Weil: Man hat ein spezielles Interesse zu haben, eine besondere Fähigkeit, ein Spezialgebiet. Man muss zu seinem Stil finden, wozu man am besten immer schön brav eins nach dem anderen macht und um Himmels willen bei seinem Leisten bleibt. Ganz wichtig ist das Ziel: genau in sich hinein hören, dann so ehrgeizig wie resolut abstecken und drauflos. Nur nicht aus den Augen verlieren. Stets positiv denken. Und wenn es dann einmal schief geht, ist das bestenfalls ein Rückfall. Da hilft dann nur mehr aufraffen, durch und weiter. Kippenberger hat das Zeichnen gerade so gerne gehabt wie das Malen und das Formen. Musik war ihm auch lieb. Das alles hat er nicht besonders gut beherrscht. Er war Künstler für alles. Eher ein Seher. Damit ihm die Leute auch glauben, hat er ihnen eben das Innere vom Fisch hingehalten. Damit sie ihm noch mehr glauben (und öfter konsultieren), hat er gemacht, womit ein Geheimnis immer schon am besten geschützt war: seine Methode preisgegeben. Etwa den, auch bei den Brüdern Oehlen und Werner Büttner beliebten Trinkspruch: "Wissen erweitern durch Scheitern". So etwas hat die Leute erschreckt, und es hat Kippenberger berühmt gemacht. Auch der Sager "Lieber Maler, male mir ..." war so ein Schocker. Dabei hat er damit bloß zugegeben, dass er jetzt gemacht hat, was bei vielen Bildhauern schon längst Usus war: den Malakt, die Ausführung denen zu überlassen, die davon auch wirklich etwas verstanden. Für die gleichnamige hyperrealistische Serie von dann Eben-nicht-Selbstporträts wurde etwa ein Plakatmaler beauftragt.

Francis Picabia hat 1940 schon gesehen, dass die Leute sich spätestens nach dem großen Krieg dann nicht mehr aus sich selbst heraus neu erschaffen werden, sondern gemäß der Bilder, die sie in Massen zu ihrer behaglichen Weltflucht konsumieren. Und also hat er ihnen solche Bilder geliefert. Akte hat er abgemalt, klassisch hingeworfene schöne aus weichen Sexheften. Je nach Bedarf in dramatischem Helldunkel oder scharf konturiert oder frisch verlobt.

Alles andere, was die dem vergangenen Jahrhunderten voranreitenden Künstler so erfunden haben, hat Picabia weggelassen: das Virtuose, die persönliche Neigung, den Geschmack, die Ernsthaftigkeit. Er war der erste "Künstler auf jedem Gebiet". Er hat als Erster die Pointe zu Kippenbergers Witz gefunden. Jahrzehntelang wurde Picabia dafür geächtet.

Ebenfalls schwer in Verruf geraten ist zu dieser Zeit Bernard Buffet. Er hat sich im Gegensatz zu Picabia von jedem Denken verabschiedet. Und am Fließband ewig gleiche Unsäglichkeiten geliefert: Leicht gelängte Halbnackte, die traurig ins Nichts glotzen. Buffet hat die Malerei auf all das reduziert, worauf es ankommt: Wiedererkennungswert und Oberfläche. Natürlich hat Andy Warhol ihn geliebt. Buffet war schlechter Geschmack, Buffet war beliebt. Er war die erste Popgröße. Sigmar Polke war dann ab den 60er-Jahren wieder bewusst geschmacklos, hat den Zustand der Kultur als krasse Collage ihrer Hervorbringungen auf den Punkt gebracht, die Grausamkeit als Stammzelle allen Dekors isoliert. Alex Katz ist es gelungen, traurige Pop-Art auf die Leinwand zu bringen. Realistische Malerei, wie sie die Kunsthalle Wien in Kooperation mit dem Centre Pompidou und der Frankfurter Schirn Kunsthalle bis zum 1. Jänner in insgesamt 18 Positionen zeigt, nimmt sich vor allem eins: die Freiheit, den Hang zum Kitsch reflektiert auszuleben. Talent, Klassiker oder Wiederentdeckung: Jeder auf seine Weise sind alle aus purem Vergnügen heraus nicht konsensbereit. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2002)