Deutschland
Wahlforscher wirft Allensbach und Forsa Fehleinschätzungen vor
Jürgen Falter warnt davor, Stoiber oder Schröder vorzeitig zum Sieger der Bundestagswahl zu erklären
Hamburg/München - Der Mainzer Wahlforscher Jürgen Falter
hat die Aussagekraft aktueller Wahlumfragen bezweifelt und den
Instituten Allensbach und Forsa Fehleinschätzungen vorgeworfen.
Allensbach habe vor der Flut erklärt, die deutsche Wahl sei bereits
für Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) entschieden, sagte
Falter dem "Münchner Merkur" (Donnerstagsausgabe). "Das war damals
unrealistisch, weil nicht absehbar war, was noch passieren würde."
Ebenso unrealistisch sei aber auch die Einschätzung von Forsa,
Stoiber habe keine Chance mehr. "Es gibt einfach keine empirische, auf zuverlässige Umfragen
gestützte Basis, aufgrund derer man sagen könnte, die Wahl sei
bereits entschieden", sagte Falter. Der Politikwissenschaftler
bezweifelte die jüngste Allensbach-Umfrage, derzufolge die Union
gegenüber der SPD einen Vorsprung von 0,3 Prozentpunkten hat. Der
statistische Fehler der Umfragen sei viel größer als nur einige
Stellen hinter dem Komma. "Wenn für die Union in Umfragen 40 Prozent
ermittelt werden, kann sie irgendwo zwischen 37 und 43 Prozent
liegen", sagte Falter. Jedes Resultat in diesem Bereich könne
richtig, aber auch "ein reines Zufallsergebnis" sein.
Überdies sei es ein Fehler, die Umfragen der Institute bereits als
Prognosen zu interpretieren. "Bis kurz vor dem Wahltag messen die
Umfragen nur Stimmungen." Vier Tage vor der Wahl sei kein Sieger
auszumachen, sagte Falter. "Ich rechne mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen.
Auch wenn Rot-Grün im Augenblick die Nase vorn hat: Die beiden Lager
liegen so dicht bei einander, dass jedes Ergebnis möglich ist."
Vier der fünf führenden Meinungsforschungsinstitute sehen in ihren
aktuellen Umfragen die SPD vor der Union und eine knappe
Regierungsmehrheit für Rot-Grün, wenn die PDS nicht den Wiedereinzug
in den Bundestag schafft. Die jüngste Allensbach-Umfrage, die am
Mittwoch von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht
wurde, sieht die Union bei der so genannten Sonntagsfrage hingegen
bei 37,3 Prozent, die SPD bei 37 Prozent, die Liberalen bei 10,1
Prozent, die Grünen bei 7,2 Prozent und die PDS bei 4,4 Prozent.
Sollte die PDS den Wiedereinzug in den Bundestag nicht schaffen,
hätten bei dieser Umfrage Union und FDP eine Regierungsmehrheit.
Das Magazin "stern" veröffentlichte am Mittwoch die neuen
Ergebnisse der Forsa-Sonntagsfrage, wonach die SPD auf 40 Prozent
kommt und die CDU/CSU auf 38 Prozent. Die Grünen erhalten demnach
sieben Prozent, die Liberalen acht Prozent, und die PDS kommt auf
vier Prozent. Die Werte sind identisch mit denen der am vergangenen
Freitag von RTL veröffentlichten Forsa-Umfrage, basieren aber auf
einem größeren Erhebungszeitraum und mehr Befragten.(APA)