Bis heute gibt sich Sambias Präsident Levy Mwanawasa unbeugsam: "Ich werde den sambischen Bürgern nicht erlauben, Gift zu essen", erklärt er stereotyp vor dem Hintergrund einer Hungerkatastrophe, die das südliche Afrika bedroht: "Wir mögen arm sein und keine Nahrung haben, aber wir werden unsere eigenen Leute nicht diesem Risiko aussetzen." Den Höhepunkt der Hungerkrise, die von einer Dürre verursacht und in mehreren Staaten durch eine verfehlte Politik verschärft wurde, erwartet man in einigen Wochen. Das UN-Welternährungsprogramm World Food Program (WFP) ist jedoch der Meinung, der von den USA ins südliche Afrika gelieferte Genmais sei "sicher", denn er habe alle Kontrollbestimmungen durchlaufen, die in den USA Pflicht sind. Schließlich essen auch die Amerikaner diesen Mais, selbst nach Jahren gibt es keine Beweise für Gesundheitsschäden. Eigenartig ist nach Meinung der Befürworter, dass die Debatte um den Mais erst jetzt Wellen schlägt, obwohl Länder wie Sambia und Simbabwe seit Jahren Genmais als Hilfslieferung akzeptiert haben. Außerdem wird der genveränderte Mais des WFP in Sambia sehr wohl verteilt - allerdings nur an Bürgerkriegsflüchtlinge aus Angola und Kongo. Was wiederum zur Folge hat, dass hungrige sambische Bürger in WFP-Lagerhäuser einbrechen und Genmais stehlen. Kritiker fürchten allerdings, die genetisch veränderten Maiskörner könnten von den Hungernden ausgesät werden und zur unkontrollierten Verbreitung genveränderter Maissorten auf den Feldern führen. Dass dies unweigerlich der Fall ist, zeigen Untersuchungen aus Großbritannien, Hawaii und Mexiko. Maisexporte in die EU würden dann für Sambia, das vor zwei Jahren noch zu den erfolgreichsten afrikanischen Agrarexporteuren zählte, künftig nicht mehr möglich sein, da in Europa genmanipulierte Pflanzen so gut wie unverkäuflich sind. Die Angst vor Allergien und Wechselwirkung hält den europäischen Verbraucher zurück. Und die Maiskörner vor dem Verteilen zu mahlen, um so die Aussaat zu verhindern, wurde als zu teuer verworfen. Sambia wird also hungern müssen. Neue Märkte Das großzügige Geschenk aus den USA ist aber nicht allein für die Hungerbäuche der Afrikaner gedacht. Es zielt darauf, neue Märkte für Getreide zu erobern, wovon nur die Erste Welt profitiert, meinen Kritiker: Die USA nutzen die Hungerkrise, um ihre Agrarpolitik über den Erdball zu verbreiten. Mit gentechnisch verändertem Saatgut werde sich ein jedes Land in die Abhängigkeit von multinationalen Agrokonzernen begeben. Wer solches mit einer Armada von Patenten belegtes Saatgut ausbringt, darf seine Ernte nämlich nicht mehr nach eigenem Gutdünken neu aussäen. Somit würde der patentbewehrte Mais aus den US-Hightech-Labors die akuten Probleme in Afrika zwar lösen, langfristig jedoch zahlreiche neue schaffen. In Afrika bleiben die Kritiker allerdings in der Minderheit. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki und sein nigerianischer Amtskollege Olusegun Obasanjo sind Befürworter der Biotechnologie. In Südafrika wird gentechnisch veränderter Futtermais ebenso wie veränderte Baumwolle angebaut. Nigeria will in den nächsten drei Jahren 750 Mio. US-Dollar in moderne Biotechnologien investieren. In Kenia sind bereits im Jahr 2000 transgene Süßkartoffeln auf den Markt gekommen. Wie man es dreht und wendet: Die derzeit unbewiesenen Gefahren, die von genmanipulierten Lebensmitteln ausgehen können, sind im Vergleich zur Bedrohung einer Hungersnot gering.(Gerhard Plott /DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 9. 2002)