Die klare Wahlniederlage von Mazedoniens Premier Ljubco Georgievski war vorauszusehen: Unter seiner Regierung kam es zu den blutigsten ethnischen Auseinandersetzungen seit der Unabhängigkeit, den Staat erschütterten Korruptionsskandale, die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent, das Durchschnittseinkommen bei etwa 150 Euro, junge Leute wandern in Massen aus. Mazedonische Wähler stimmten eher gegen die alte Regierung als für die Opposition.Bevor sich jedoch der zukünftige Premier Branko Crvenkovski mit den sozialen und wirtschaftlichen Problemen beschäftigen können wird, muss er zuerst Voraussetzungen für den Frieden im ethnisch geteilten Land schaffen. Und nur die Einbindung der albanischen Demokratischen Integrationsunion (DUI) in die Regierung wäre - zumindest kurzfristig - eine Garantie für Frieden und Stabilität. Dabei gilt der DUI-Chef Ali Ahmeti unter den Mazedoniern immer noch als der albanische "Oberterrorist", obwohl der ehemalige Rebell von Mazedonien versöhnlich als einem "einheitlichen" Staat zweier Völker spricht und die Forderungen nach Föderalisierung des Landes aufgegeben hat. Crvenkovski steckt in der Zwickmühle: Wenn er sich auf eine Regierungskoalition mit der DUI einlässt, wird er auf heftigen Widerstand in den eigenen Reihen stoßen und - wohl oder übel - Proteste eines Teils der mazedonischen Bevölkerung in Kauf nehmen müssen. Wenn nicht, riskiert er das Aufflammen ethnischer Konflikte. Ein möglicher Kompromiss wäre eine Regierungsbildung mit der DUI unter der Bedingung, dass sich Partei- chef Ahmeti von der Macht fern hält. Auf beiden Seiten lauern bewaffnete Extremisten auf ihre Chance. Auch nach den Wahlen ist die Stabilität in Mazedonien trotz massiver Nato-Präsenz noch nicht endgültig gewonnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2002)