Wien - Seit am 25. Juli 1978 die Britin Luisa Brown nach 15-jähriger Forschung als erstes "in vitro fertilisiertes" (IVF) Baby zur Welt gekommen war, steigt die Zahl der künstlichen Befruchtungen ständig. Die Gründe dafür lassen sich laut Experten auch auf heutige Lebensweisen zurückführen.Zum einen würden sich im-mer mehr Paare immer später zu Kindern entschließen, je älter jedoch der Mensch, desto geringer seine Fertilität - rein altersbiologisch. Zum anderen und gravierender: Die Fruchtbarkeit von Mann und Frau, auch in jungen Jahren, nehme generell ab. Zumindest in der industrialisierten Welt. "Bereits jedes vierte Paar mit Kinderwunsch hat entsprechende Probleme, beansprucht medizinische Hilfe", konkretisiert der Gynäkologe Andreas Obruca vom "Kinderwunschzentrum" in der Wiener Privatklinik Goldenes Kreuz. Ursachen für diese zunehmende Infertilität gebe es viele. Sie reichten von Spritzmitteln in der Landwirtschaft über hormonaktive Substanzen in den Nahrungsmitteln bis zu allen möglichen weiteren Umweltbelastungen. "Eine Hauptursache kann nicht ausgemacht werden." Sehr wohl aber einzelne Gründe, erklärt der Mediziner: 50 Prozent der Unfruchtbarkeit seien auf mangelnde Samenqualität zurückzuführen, 40 Prozent auf undurchlässige Eileiter und zehn Prozent auf keine oder unreife Eizellen. Geteilte Verantwortung Mann und Frau teilten sich somit die Verantwortung; worauf die Medizin aber keine Rücksicht nehmen darf, obwohl sie könnte. Kann er nicht, kann geholfen werden, kann sie nicht, haben beide Pech: Samenspenden sind in Österreich erlaubt, Eispenden nicht. Mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden "kann etwa einem Drittel der betroffenen Paare geholfen werden", rechnet Obruca die relativ geringen Chancen vor. Neben hormoneller Eierstock-Stimulation oder dem Aufbereiten der Spermien allein stehe dabei natürlich die IVF an erster Stelle. Entweder die klassische, bei der aufbereitete Eizellen und Samenzellen in der Retorte zusammengebracht werden, in der Hoffnung, dass es zur Befruchtung kommt. Danach werden sie in die Gebärmutter eingepflanzt. Oder, was in Österreich seit 1994 Anwendung findet: Spermien werden gleich mittels Injektionsnadel in die Eizellen gespritzt. Bis zu zwölf Versuche "Zwischen drei und fünf Versuche" seien für eine Schwangerschaft nötig, sagt Obruca. "Im Durchschnitt. Manche Frauen werden schon nach dem ersten Mal schwanger, andere erst beim zwölften." Das hänge von vielen Faktoren ab: Alter, Zahl der eingesetzten Embryonen, deren Qualität, Ursache der Unfruchtbarkeit und sogar von der Person, die die künstliche Befruchtung vornehme. Die Kosten liegen je nach Institut, von dem der Eingriff vorgenommen wird, bei bis zu 5000 Euro pro Versuch. Unter gewissen Voraussetzungen je-doch - es müssen bestimmte Defekte vorliegen, die Frau darf etwa nicht älter als 40, der Mann älter als 50 sein - übernimmt der IVF-Fonds bis zu 70 Prozent der Kosten für maximal vier Versuche. Obruca schätzt, dass jährlich rund 7000 IVF-Versuche in Österreich unternommen werden. Im Jahr 2000, als der Fonds startete, wurden über ihn 3926 Versuche verrechnet. Bei 13 Prozent davon kam es zum Abbruch der Behandlung. Bei 66 Prozent vom Rest wurde die künstliche Injektion des Spermiums in die Eizelle benutzt. Die Erfolgsrate bei dieser Methode betrug 24 Prozent. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 16.9.2002)