Salzburg - "Wir müssen eine kulturelle und ethisch-moralische Revolution gegen die ökonomische Diktatur der Globalisierung starten." Solche Aussagen aus dem Mund des Gründers des Alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll, mögen auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen. Ungewöhnlich war freilich, in welchem Rahmen der schwedische Publizist dies sagte: Uexküll referierte Freitagabend auf einer vom Salzburger VP-Wirtschaftsbund organisierten Veranstaltung, die als Ergänzung zum Europagipfel des Weltwirtschaftsforums (WEF) konzipiert war. Sehr lokale Wertschöpfung Der Wirtschaftsbund verstehe sich, so Obmann Julius Schmalz, keinesfalls als Globalisierungsgegner, sondern als Anwalt der Klein-und Mittelbetriebe. Diese würden 57 Prozent der Wertschöpfung erwirtschaften, 62 Prozent aller Investitionen tätigen, 85 Prozent aller Lehrlinge ausbilden und mehr als zwei Drittel aller Erwerbstätigen beschäftigen. "Die Regierungs- und Konzernchefs agieren jedoch nicht im Sinne dieser Wirtschaftsmehrheit", so Salzburgs Wirtschaftskammer-Vizepräsident. Uexküll fand am Freitag noch deutlichere Worte als Gastgeber Schmalz: Das einzige Prinzip der globalen Konzerne sei die Gier. Das WEF-System beruhe auf Betrug: Manipulierte US-Wachstumsindexe sollten die Überlegenheit des Systems zeigen. Dabei handle es sich nicht um eine freie Marktwirtschaft, sondern die "globale Planwirtschaft der Multis". Uexküll fordert neue globale Institutionen, um eine friedliche Kulturwende zu fördern. Ihm schwebt ein Weltzukunftsrat vor, eine "moralische Macht als Agent der Wende". Freizügiger Bildungsmarkt Uexkülls Visionen hätten auch auf den am Samstag vom Netzwerk Attac in Salzburg abgehaltenen Alternativgipfel zum WEF-Treffen gepasst. Globalisierungskritiker formulierten ihre wirtschafts- und sozialpolitischen Anliegen. Bei einem völlig liberalisierten Welthandel dürften gerade Gesundheit und Bildung nicht alleine dem Markt überlassen werden, so die Direktorin der US-Organisation "Global Trade Watch", Lori Wallach. Ein von der Welthandelsorganisation geplantes Abkommen wolle aber genau diese öffentlichen Dienste bis 2005 weitgehend für den Wettbewerb öffnen. Gelinge es nicht, das Regelwerk zu ändern, könne danach auch "die EU rechtlich nichts mehr dagegen tun", warnte sie. ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch forderte in seiner Funktion als Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes die Erhaltung von Sozialstandards auch unter globalisierten Rahmenbedingungen. Das Wirtschaftsministerium solle die Auswirkungen der geplanten Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen auf Schulen, den Gesundheitssektor und den öffentlichen Verkehr veröffentlichen. Alleine die Gesundheitsvorsorge mache in Österreich acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus: "Das ist natürlich ein lukratives Geschäft." (dog, stet, neu/DER STANDARD, Printausgabe, 16.9.2002)